Von Miggi
Wenn man versucht den physisch ausgefallenen Spiele-Messen wie E3 und gamescom dieses Jahr etwas Positives abzugewinnen, gibt es da vor allem eine Sache: Dass es auf dem PC und auch auf der Xbox One spezielle Events gab, währende derer man Demos von verschiedenen Titeln herunterladen und anspielen konnte. Während den Events habe ich mir einfach mal alle Demos auf die Xbox und meinen Laptop geladen, die zu haben waren, um dann später immer wieder mal reinzuspielen. Das meiste war ganz nett, ein paar Spiele kamen in die "Wenn es dann mal im Sale ist"-Schublade und ein paar wenige Titel haben sich als richtige Perlen entpuppt. Eine dieser Perlen war der 2D Pixel-Plattformer YesterMorrow, der Action und Puzzle-Elemente zusammenwürfelt und jetzt kurz vor dem Release der neuen Konsolengeneration seinen Release auf Xbox, Playstation und der Nintendo Switch feiert.
In YesterMorrow schlüpft ihr in die digitale Haut des Mädchens Yui. Diese wächst auf der Waldinsel friedlich mit ihrer Familie auf. Neben der Waldinsel gibt es noch die Wüsteninsel und die Eisinsel, die zu dritt die Quelle des sogenannten Everlights umgeben. In der Welt, in der ihr Bruder Haro, ihre Eltern und sie leben existiert nämlich eine Art magische Kraft, aus der die Erde ihre Kraft schöpft. Das Everlight bringt die Pflanzen zum blühen, den Wind zum pusten und die Sonne zum Strahlen. Um diese Kraft vor bösen Mächten zu beschützen, hat jede der drei Inseln einen eigenen Zeithüter. Eines Tages während der alljährlichen Zeremonie des Dorfes kommt es aber wie es in Videospielen kommen muss und die Schatten beschließen die Macht an sich zu reißen. Und wer außer die Heldin in spe könnte das nun aufhalten?
Aufgezogen wird das Abenteuer in YesterMorrow als Zeitreisen-2D-Plattformer mit verschiedenen Rätsel- und Geschicklichkeits-Einlagen. Anfangs beherrscht Yui lediglich eine Rolle und einen einfachen Sprung, lernt aber relativ bald zwischen der Zukunft und der Vergangenheit zu wechseln. An bestimmten Schreinen, die quer über die Inseln verteilt sind, könnt ihr so als junge und ältere Yui weiter machen und natürlich wird diese Mechanik nicht nur story- sonder auch gameplaytechnisch genutzt. Wo ihr etwa in der dystopischen Zukunft vor einem eingestürzten Felshaufen steht, kann euer Vergangenheits-ich durchlaufen, als wäre nie etwas passiert. Also, so gesehen ist ja auch wirklich nie etwas passiert. Zumindest noch nicht. Mit dieser Hauptfähigkeit im Gepäck macht ihr euch nach dem Prolog also auf, eure Familie aus den Klauen der Schatten zu befreien und, nun ja, die Welt zu retten. Was man halt so macht in Videospielen.
Je weiter ihr im Indie-Titel von Bitmap Galaxy voran kommt, desto mehr Fähigkeiten lernt Yui in den großen Schreinen. So könnt ihr mit der Zeit gegnerische Schatten und Kreaturen mit einer Bombe angreifen, lernt einen Dash, der euch schneller durch die Sprungpassagen bringen kann oder auch eine Stampfattacke, die ihr sowohl für Rätsel als auch zum Kämpfen einsetzen könnt. Alle neue Fähigkeiten werden sinnvoll in die Plattforming-Passagen integriert und je weiter ihr im Spiel voran kommt, desto kniffliger wird das Ganze. Wir reden hier jetzt nicht von Celeste- oder Hollow Knight-schwer, aber ein paar Sprung- und Geschicklichkeits-Abschnitte sind schon echt knackig. Mein großes Highlight was das Gameplay angeht waren aber die Bosskämpfe, die sich alle schön unterschiedlich spielen und mit smarten Mechaniken punkten können. Überall verteilt in den verschiedenen Abschnitten lauern zudem optionale und besonders schwere Trial-Räume, die darauf warten von euch geschafft zu werden.
Neben lupenreinem Plattforming, kann YesterMorrow aber vor allem mit einem wunderschönen Grafik-Look überzeugen. Die Optik wurde hier extrem detailliert umgesetzt und aus jedem einzelnen Pixel tropft pure Liebe. Jedes Dorf, in das ich gereist bin, wollte ich erst einmal von oben bis unten komplett erkunden, mit allen NPCs reden und alle kleinen Geheimnisse entdecken, weil die Atmosphäre so unglaublich gut umgesetzt wurde. Die verschiedenen Gebiete sind abwechslungsreich aber konsequent designed und wie es sich für ein gutes Jump'n'Run gehört, stimmt auch das Leveldesign. In keinem Moment kam bei mir Frust über irgendeine Passage auf und ich hatte nie das Gefühl, dass das Spiel unfair wäre. Überall versteckt in der Welt könnt ihr Artefakte und Schriftrollen finden, die euch mehr über die Welt erzählen, oder manchmal auch einfach nur nette Gags sind. Gleichzeitig findet ihr immer wieder Herzteile, die eure Gesundheit erhöhen, sobald ihr drei davon gefunden habt. Aber das war noch nicht das Highlight. YesterMorrow hat das beste Videogame-Collectible aller Zeiten: Tiere! Über die ganze Map verteilt findet ihr immer wieder Katzen, Hunde, Füchse und andere Vierbeiner, die ihr per Tastendruck streicheln könnt.
"Komplett unerwartet hat sich Yestermorrow für mich zu einem der großen Indie-Highlights 2020 entwickelt."
Komplett unerwartet hat sich YesterMorrow für mich zu einem der großen Indie-Highlights 2020 entwickelt. Kann daran liegen, dass ich generell auf Indie-Plattformer stehe, aber auch abgesehen davon fand ich das Spiel des slowakischen Studios Bitmap Galaxy einfach gut. Das Gameplay bringt neben Altbekanntem durch einige Fähigkeiten schöne neue Mechaniken mit ins Spiel, der Pixel-Look bietet so viel mehr als nur auf Retro-Liebhaber*innen abgezieltes "ja, wir machen jetzt hier einfach was, das aussieht wie auf dem SNES" und die Zeitreise-Geschichte rund um die Zeithüter und das Everlight hält gut bei Laune. Auch wenn es natürlich nicht die innovativste Geschichte aller Zeiten ist. So ehrlich muss man sein. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch und ich kann YesterMorrow allen empfehlen, die mal wieder Lust auf ein schönes 2D-Spiel haben. In ungefähr acht Stunden ist das Spiel auch perfekt für zwischen zwei der großen Blockbuster, die uns bald erwarten und sind wir mal ehrlich: alleine, dass man Tiere streicheln kann, sollte schon Kaufargument genug sein. Außerdem sieht der Boden aus, wie in den frühen Sonic The Hedgehog-Spielen. Da kann ich es ja nur lieben.