Von Miggi
Ich muss euch jetzt kurz auf eine kurze Zeitreise mitnehmen: Es war Sonntag, der 18.12.2022. Das Jahr neigte sich schon langsam dem Ende zu und der Plan war am Vormittag mit Bea und Yvonne unseren Dezember-Podcast aufzunehmen. Ich hatte mir also meinen Wecker auf halb 9 gestellt, schnappte mir meine Brille, schritt verschlafen in Richtung Kaffeemaschine und scrollte währenddessen durch die Benachrichtigungen auf meinem Handy. Dabei sah ich eine WhatsApp-Nachricht von meinem Kumpel Benny. Es war ein YouTube-Link mit den Worten "New GOTY just dropped". "Der übertreibt schon wieder ey", dachte ich noch so bei mir, aber war natürlich neugierig genug, um den Link direkt zu öffnen. Was mich erwartete war der Pre Order-Trailer zu Wanted: Dead, den ich nach etwas über einer Minute mit den Worten "Wtf. Was habe ich da gerade gesehen? Wo kommt es her? Warum will ich es so dringend?" kommentierte. Und von da an war mir klar, dass ich dieses Spiel nicht nur unbedingt spielen muss, sondern, dass es quasi wie für mich gemacht ist. Und zwar von A bis Z. Der Valentinstag konnte also nicht früh genug kommen 2023. Und das hatte für mich nichts mit Blumen oder Pralinen zu tun.
In Wanted: Dead, das von den ehemaligen Entwickler*innen von Ninja Gaiden und Dead or Alive entwickelt wurde, verfolgt ihr eine Woche im Leben der Zombie-Einheit, eine Spezialeinheit der Polizei Hong Kongs. Stellt euch das quasi so vor wie die Suicide Squad, nur ein bisschen offizieller. Ihr übernehmt die Rolle von Lieutenant Hannah Stone, die mit einem Katana und Schusswaffen im Arsenal die stärkste Offensiv-Kraft der Einheit ist. An eurer Seite habt ihr dann noch Doc, der offensichtlich um eure Gesundheit besorgt ist, Herzog, seines Zeichens der Waffennarr der Gruppe und Cortez, der taubstumme Explosions-Spezialist. Gemeinsam mit euren Kolleg*innen deckt ihr in einer dystopischen Cyberpunk-Version der Chinesischen Stadt, die sich Setting-üblich aus allen möglichen Nationalitäten und Einflüssen zusammengesetzt hat, eine Verschwörung rund um den Konzern Dauer Synthetics auf und metzelt euch dabei in verschiedenen Levels durch etliche Gegner*innen.
Nach einem kurzen Training, das euch die Nah- und Fernkampf-Aktionen des Spiels kurz näher bringt, werdet ihr auch relativ zügig in die erste Mission geworfen, in der ihr eure Fähigkeiten unter Beweis stellen müsst. Und das Spiel macht hier von Anfang an keine Gefangenen. Ich habe selten ein Action-Spiel gespielt, das so gnadenlos auf Fehler reagiert, wie Wanted: Dead. Und das meine ich absolut positiv. Schon im ersten Level verlangt das Spiel von euch eure Fähigkeiten zu erlernen und die Mechanik aus Shooter- & Slasher-Hybrid genau zu verstehen. Ich bin natürlich direkt im ersten Kampf völlig übermütig auf die mit Maschinengewehren bewaffneten Feinde zugerannt, um sie mit meinem Katana anzugreifen. Dass das eine dumme Idee war, habe ich sehr schnell bemerkt und so gewöhnt man sich mit jedem Fehler sehr schnell immer mehr an die Mischung aus Deckungs-Shooter und Nahkampf-Kombo-Action.
In den meisten Gefechten macht es daher Sinn sich nicht kopfüber in den Kampf zu stürzen, sondern kurz abzuwägen, wie man an die Situation herangeht. Dabei steht euch neben eurem Standard-Maschinengewehr und der Pistole, die aber eher in den Nah- als in den Fernkampf mit eingebunden wird, noch eine variable Sekundär-Waffe zur Verfügung, die ihr besiegten Gegner*innen abnehmen könnt. Und die braucht ihr auch, denn eure Munition ist eigentlich immer sehr knapp bemessen. Ihr müsst stets darauf achten, nicht sinnlos alles zu verballern, denn bis auf ein bisschen Ersatz, den ihr am Boden findet, wird eure Munition gemeinsam mit den heilenden Stimpaks erst wieder aufgefüllt, sobald ihr einen der Checkpoints erreicht. Und die liegen teilweise gar nicht so nah aneinander, wie man es sich in der Situation vielleicht wünschen würde.
Neben den Deckungs-Shooter-Einlagen sind aber die Nahkampf-Situationen die Momente, in denen Wanted: Dead so richtig glänzen kann. Und so simpel es im ersten Moment aussehen mag, so komplex und vor allem schwer zu meistern ist es dann schlussendlich. Ihr habt einen Standard-Angriff sowie die Möglichkeit eure Pistole in Kombos zu integrieren, außerdem könnt ihr per Knopfdruck einen kurzen Ausweich-Move machen und Angriffe blocken bzw. mit dem richtigen Timing sogar parieren. Und das hat teilweise in mir Flashbacks zu Sekiro: Shadows Die Twice ausgelöst. Vor allem der erste Bosskampf gegen einen Ninja, hat mir das Kampfsystem so sehr reingeprügelt, wie es bisher nur der Kampf gegen Genijiro geschafft hat. Erst als ich sein Attacken-Muster komplett erlernt hatte und die Attacken perfekt parieren konnte, habe ich es geschafft nicht direkt nach 5 Sekunden tot am Boden zu liegen. Aber da habe ich mir das Spiel zum Teil auch etwas schwerer gemacht, als ich es eigentlich gemusst hätte.
Ihr habt nämlich auch einen Skilltree bestehend aus 3 Kategorien zur Verfügung - Offensiv, Defensiv und Passiv -in dem ihre eure Spezialpunkte in Fähigkeiten umwandeln könnt. Und das hatte ich bis genau nach dem Ninja-Kampf einfach vergessen. Upsi. Dort könnt ihr im weiteren Spielverlauf nicht nur eure Gesundheit oder Verteidigung erhöhen, sondern auch zusätzliche Kombo-Moves kaufen. So werden etwa Feinde mit abgetrennten Armen oder Beinen direkt Finisher-ready gemacht, was sonst erst passiert, wenn ihr ihnen genug HP abgezogen habt. Irgendwann am Ende des Spiels habt ihr dann ein volles Inventar an Moves und massakriert euch gekonnt durch die Horden an Feinden, während ihr perfekt pariert, Finisher in eure Kombos integriert und mit kaum einem Kratzer rausgeht. Die Lernkurve des Spiels ist zwar zu Beginn unfassbar steil, am Ende lohnt sich das aber extrem, auch wenn einem jeder Encounter immer noch sehr viel schneller das Leben raubt, als man möchte, wenn man nicht genau aufpasst. Besagter Ninja Mini-Boss wird übrigens später einfach zum regulären Gegner.
Neben den Kämpfen hat das Spiel des Japanischen Studios aber noch so einiges mehr im Gepäck. Zwischen den Missionen werdet ihr immer wieder ins Polizei-HQ geschickt, in dem ihr euch mit diversen Mini-Spielen die Zeit vertreiben könnt. Neben Claw Machines, Karaoke und einem Ramen-Minigame hat es mir vor allem das Retro Arcade-Spiel Space Runaway angetan. Das ist im Endeffekt ein vollwertiges Spiel im Spiel - ein Sidescrolling Shooter mit insgesamt 7 Levels im Stil von Gradius und Co., das auch echt Spaß gemacht hat. Ein paar Abzüge in der Haltungsnote muss ich Wanted: Dead dann aber doch noch geben. Der Soundtrack ist unfassbar gut, an manchen Stellen ist er nur leider von der Lautstärke her gemeinsam mit den Dialogen etwas komisch abgemischt. Grafisch sieht das Spiel auf jeden Fall gut aber nicht unfassbar aus und während meines Playthroughs bin ich immer wieder mal in starke Ruckeleinlagen geraten. An einer Stelle ist mir das Spiel dann leider komplett abgestürzt, was dazu geführt hat, dass an einer Stelle die nächste Story-Szene einfach nicht mehr getriggert wurde, wodurch das Savegame quasi hinüber war. Ich hoffe, dass der Day One-Patch hier noch einiges beheben kann, da ich sonst eigentlich kaum etwas zu meckern gehabt hätte.
"Wanted: Dead verfolgt eine klare Vision und hat mich dabei mit seinem Gameplay-Loop, dem Setting und der Over the Top-Art von vorne bis hinten komplett migerissen."
Es ist sonst immer schwer ein Spiel zu spielen, bei dem man eine hohe Erwartungshaltung hat. Die absurden Trailer und alles, was im Vorfeld gezeigt wurde, haben mir aber irgendwie Hoffnung gemacht, dass Soleil genau weiß, welches Zielpublikum sie mit ihrem Spiel ansprechen und worauf es ankommt. Und trotz kleiner technischer Mankos funktioniert die Mischung aus Deckungs-Shooter und Action-Slasher unfassbar gut und ich habe selten ein Spiel gespielt, das gleichzeitig so gnadenlos aber trotzdem befriedigend ist. Das Setting und die Charaktere haben mich komplett überzeugt, die verschiedenen Mini-Spiele, die auf den ersten Blick irgendwie fehl am Platz wirken, fügen sich trotzdem perfekt ins Geschehen ein und die ganze Aufmachung ist einfach nur right up my Alley. Wanted: Dead verfolgt eine klare Vision und hat mich dabei mit seinem Gameplay-Loop, dem Setting und der Over the Top-Art von vorne bis hinten komplett mitgerissen. Ich finde es gibt heutzutage viel zu wenig Spiele, die sich nicht darauf konzentrieren unfassbar ernst oder realistisch zu sein, sondern die einfach nur Spaß machen wollen. Und genau zu diesen Spielen ist Wanted: Dead die Antithese.