Von Miggi
Dreieinhalb Jahre sind eine verflucht lange Zeit. Das muss ich vermutlich keinem von euch erzählen. Und besonders die letzten 3 Jahre waren teilweise gefühlt einfach nur seltsam. Vor allem sind seitdem aber auch eine Menge Videospiele erschienen und wenn mir jemand erzählt hätte, dass es schon so lange her ist, dass das Run and Gun Blazing Chrome mich mit auf eine wilde Reise in die 16 Bit-Ära genommen hat, dann hätte ich der Person vermutlich nicht geglaubt. Diese lange Zeit hat das brasilianische Indie-Studios JoyMasher aber auf jeden Fall genutzt und mit Vengeful Guardian: Moonrider erwartet uns jetzt der neueste Titel voll Retro-Charme, der wieder einmal beweisen soll, dass Pixel-Optik auch 2023 noch funktioniert. Dafür hat das Team das Genre wieder leicht gewechselt, denn statt Laufen und Schießen ist diesmal, wie auch im Action Plattformer Oniken aus 2012, Laufen und Draufhauen angesagt.
Die Welt und Geschichte von Vengeful Guardian: Moonrider ist eine mehr als dystopische. In einer fernen Zukunft hat ein autoritärer Staat die Kontrolle übernommen und regiert bzw. unterdrückt die Menschheit mit einer Armee aus selbstgebauten Supersoldat*innen mit Energie-Waffen, übermenschlichen Skills und allem was dazu gehört. Um diesen Status aufrechtzuerhalten aktivieren sie den namensgebenden Protagonisten, einen Ninja-Krieger, der ihnen als Werkzeug dienen soll. Es kommt aber anders als geplant und Moonrider entscheidet sich dazu, seinen Macher*innen das Handwerk zu legen. So startet seine Vendetta gegen diese und auch alle anderen Supersoldat*innen, denn wenn schon einmal auf Rachefeldzug gehen, dann aber auch richtig, oder?
Ganz im Stile von Klassikern wie Shinobi zieht ihr also los und schnetzelt euch in diesem Sidescrolling Action Plattformer mit euren Moves von links nach rechts, versucht nirgends runterzufallen, euch nicht von den Gegnern abmurksen zu lassen und auch sonst nicht zu sterben. Das klingt jetzt vielleicht leichter als getan, denn die Schwierigkeit in Vengeful Guardian: Moonrider ist genau wie die Optik eben auch an ältere Spiele angelehnt. Heißt: Wenig bis gar keine Checkpoints, knackige Plattforming-Passagen und zwischendurch auch die ein oder andere Überraschung, die euch nach dem Leben trachtet. Euer Protagonist kann um zu überleben, neben einer Sprint-Fähigkeit, entweder seine Standard-Attacke oder einen von mehreren Special-Moves ausführen, der beispielsweise durch gegnerische Schilde durchdringen kann. Diese Spezialattacken verbrauchen aber auch Energie, die ihr mit Containern genau wie eure HP wieder auffüllen müsst, bevor ihr diese wieder einsetzen könnt. Zu Beginn habt ihr standardmäßig eine eigene Attacke ausgerüstet, könnt aber im Spielverlauf auch andere freischalten.
Hier kommt nämlich eine weitere Inspiration mit ins Spiel und zwar aus Spielen wie etwa Mega Man X. Denn nachdem ihr das Tutorial-Level absolviert habt, könnt ihr euch zwischen mehreren Levels frei entscheiden und diese in der Reihenfolge durchspielen, die euch am besten gefällt. Am Ende jedes Gebiets wartet dann neben den Zwischenbossen ein*e Supersoldat*in als Boss auf euch und ihr verleibt euch nach dem Kampf deren Special Move ein. Gleichzeitig habt ihr die Möglichkeit in den Levels versteckte Chips in Containern zu finden, die euch weitere aktive & passive Fähigkeiten schenken. So gibt es zum Beispiel den Doppelsprung, den ich bis zum Ende des Spiels nicht mehr abgelegt habe, aber auch die Möglichkeit euch etwa über Zeit heilen zu lassen. Ihr solltet also in jedem Level genau hinschauen, wo sich eventuell ein Geheimnis verstecken könnte, da euch diese das Spiel teilweise noch mal ein bisschen erleichtern können. Wirklich leicht wird es dadurch zwar nicht, aber man nimmt jede Hilfe die man kriegen kann.
Die Levels selbst sind wahnsinnig abwechslungsreich gestaltet. Und das nicht nur durch die Umgebung, die jeweils mit den Fähigkeiten des Bosses abgestimmt ist, sondern auch durch die Gegner-Typen, Zwischenbosse und andere kleine Gimmicks, die JoyMasher hier eingebaut hat. Denkt einfach an irgendein cooles Gimmick der SNES-Zeit, sei es jetzt im Gameplay oder der optischen Darstellung und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr es in Vengeful Guardian: Moonrider finden werdet. Da man heutzutage nicht mehr auf so Dinge wie den Super FX-Chip angewiesen ist, kann das brasilianische Studio hier natürlich aus der kompletten technischen Bandbreite schöpfen und hat sich richtig ausgetobt. Gleichzeitig sind die Mechaniken der verschiedenen Gegner- und Boss-Typen echt gelungen und man hat nur im ersten Moment oft das Gefühl übermächtigen Gegner*innen gegenüber zu stehen. Nach 1-2 Bildschirmtoden (oder mehr) hat man dann meistens schon den Dreh raus und die Angriffspatterns erkannt und muss diesen nur noch ausweichen. Was natürlich viel leichter gesagt als getan ist und auch mir die Schweißperlen auf die Stirn getrieben und mich teilweise nur unfassbar knapp siegreich hervorgehen lassen hat.
Durch den Aufbau der einzelnen Level ist das Spiel sehr arcadig gehalten und für jedes geschaffte Gebiet bekommt ihr eine Punktzahl mit Zeit und abschließender Bewertung. Es lohnt sich also auch abseits der versteckten Items, die ihr eventuell übersehen habt auch im Hinblick auf Highscores Level mehrmals zu spielen. Und wenn ihr euch an einem Abschnitt die Zähne ausbeißt - wählt doch einfach erst mal einen der anderen. Eventuell findet ihr dort dann ein nützliches Upgrade oder habt Zeit eure Fähigkeiten dort zu verbessern. Denn wie auch schon früher wird euch hier nicht erklärt, welche Fähigkeit in welchem Gebiet eventuell von Vorteil sein könnte oder welches Level ihr am besten als erstes abschließen solltet. Nur soviel sei an dieser Stelle auf jeden Fall gesagt: wenn ihr Bock auf Highscore-Jagd habt und überall einen S-Rang bekommen wollt, habt ihr definitiv viel vor euch. Den besten Rang zu erhalten ist nämlich echt schwer und den einen S-Rang, den ich am Ende hatte, habe ich glaube ich auch durch mehr Glück als Können geschafft.
Das beste an der 16 Bit-Ära ist auch 2023, dass die Spiele bis heute unfassbar gut gealtert sind und immer noch schön aussehen. Deshalb funktionieren auch moderne Retro-Games mit diesem Grafikstil für mich so gut und Vengeful Guardian: Moonrider ist da keine Ausnahme. Ob nun Gegner-Sprites, die Level selbst oder aber auch die Hintergründe davon - alles ist in unfassbar liebevoll zusammengestelltem und detailliertem Pixelart gestaltet, durch die verschiedenen Themen in den Gebieten hat man wahnsinnig viel Abwechslung reingebracht und obwohl die Grundstimmung immer die der dystopischen High-Tech-Zukunft ist, macht es auch fürs Auge wahnsinnig viel Spaß von Level zu Level zu springen. Also literally. Durch clever eingesetzten Parallax-Effekt der Kamera verschieben sich die verschiedenen Ebenen des Hintergrunds zudem unterschiedlich schnell, was den Schauplätzen noch mehr Tiefe verleiht und als Effekt auch einfach immer wieder schön anzusehen ist.
"Vengeful Guardian: Moonrider ist ein mehr als gelungener Ausflug zurück in die 16 Bit-Ära, der mit neuen Ideen und wunderschönem Pixelart auch 2023 perfekt funktioniert."
Nachdem ich schon auf der letzten gamescom bei meiner Demo-Session einen sehr positiven Ersteindruck vom Spiel bekommen habe und nach Blazing Chrome sowieso alle Zeichen für einen neuen Retro-Hit von JoyMasher und The Arcade Crew gesprochen haben, hat mich das Spiel nun auch in der finalen Fassung komplett überzeugen können. Man merkt einfach, dass hier Menschen am Werk sind, die nicht nur viel Liebe für Klassiker wie Shinobi oder Mega Man haben, sondern auch versuchen diese um sinnvolle Verbesserungen zu erweitern. So schaffen sie es neue Ideen mit ins lang erprobte Spielprinzip einfließen zu lassen, um etwas zu erschaffen, das wahnsinnig viel Spaß macht und sich von den Klassikern abhebt. Vengeful Guardian: Moonrider ist ein mehr als gelungener Ausflug zurück in die 16 Bit-Ära, der mit neuen Ideen und wunderschönem Pixelart auch 2023 perfekt funktioniert. Durch den Aufbau wird man stets dazu ermutigt bereits gespielte Levels noch einmal zu besuchen, alles zu finden und den Highscore zu knacken und selbst wenn man das Spiel nur einmal "kurz" durchspielen möchte, lohnt sich der Titel auf jeden Fall. Und das nicht nur für Fans der Spiele von damals.