Von Miggi
Die Ankündigung von Unravel auf der E3 2015 kam überraschend. Der Creative Director Martin Sahlin vom schwedischen Entwicklerstudio Coldwood Interactive war sichtlich aufgeregt und gleichzeitig voller Freude, dass er sein kleines Spiel mit der süßen Garn-Figur Yarny endlich der Öffentlichkeit präsentieren durfte. Das wirklich Besondere daran war aber nicht der Indie-Titel selbst, sondern wo er präsentiert wurde - bei Electronic Arts. Mit Unravel startete EA das Programm EA Originals, das Indie-Teams die Möglichkeit geben sollte ihre Spiele einem größerem Publikum zu präsentieren. Unravel folgten in der Zwischenzeit, als Teil der Originals-Sparte, noch weitere Titel wie A Way Out und Fe. Auf der E3 2018 zeigte man neue Szene des in Deutschland entwickelten Sea Of Solitude. Aber nicht nur das, auch Martin Sahlin hatte auf der diesjährigen Messe in Los Angeles einen Auftritt. Und auch diesmal war er sichtlich aufgeregt seinen neuesten Streich vorstellen zu dürfen. Unravel Two.
Im Nachfolger zum 2016 erschienenen Plattform-Adventure wird das Prinzip des ersten Teils aber etwas auf den Kopf gestellt. Der Yarny, den ihr aus dem ersten Teil kennt, wird so nicht im Spiel auftauchen, stattdessen übernehmt ihr die Steuerung von gleich zwei der süßen Garnfiguren, die ihr simultan durch das Abenteuer steuern müsst. Entweder schnappt ihr euch dazu eine reale Person, die jederzeit ins Spiel einsteigen kann, oder ihr steuert die beiden Protagonisten alleine im Single Player-Modus. Dazu könnt ihr entweder die beiden zu einer Figur vereinen oder auf Knopfdruck wechseln, welchen der beiden Yarnys ihr steuert. Bestimmte Situationen im Spiel erfordern eine Kombination aus beiden Herangehensweisen, um bestimmte Rätsel zu lösen und Sprungpassagen zu meistern.
Die Geschichte startet diesmal auf einem Schiff, das durch einen starken Sturm steuert und schließlich kentert. Euer Yarny wird an Land gespült und merkt, dass sein Faden durchtrennt wurde, der ihm auch seinen Funken schenkt. Aus einem Koffer kraxelt in dem traurigen Moment aber eine zweite Garnfigur und die beiden verbinden ihre losen Enden miteinander. Mit diesen beiden müsst ihr nun das Abenteuer bestreiten und erlebt durch sie, ähnlich wie im ersten Teil, eine Story von zwei Menschen, die parallel zu eurer Geschichte abläuft. Laut Spielbeschreibung sind die Yarnys nämlich kleine Schutzengel, die jeder von uns hat. Das erklärt auch, warum wir es diesmal mit anderen Protagonisten zu tun haben, als noch in Teil 1 und warum sie teilweise komplett neue Talente besitzen.
Da sich die Person, zu der die kleine Figur gehört, auch auf die Fähigkeiten dieser auswirkt und wir es diesmal mit zwei jungen Menschen zu tun haben, anstatt der älteren Dame, sind auch die beiden spielbaren Figuren beweglicher und beherrschen neue Moves. Sie sind schneller zu Fuß unterwegs und können diesmal sogar Wandsprünge vollbringen. In Kombination mit der Fähigkeit sich gegenseitig am Faden hochzuziehen, oder den Mitspieler bzw. Zweit-Yarny daran schwingen zu lassen, ergeben sich so ganz neue Möglichkeiten für die verschiedenen Rätsel, die natürlich auch in Unravel Two nicht zu kurz kommen. Vor allem zu zweit macht es sehr viel Spaß gemeinsam des Rätsels Lösung zu finden und diese dann auszuführen. Diesmal gibt es außerdem keine Checkpoints in der Form von neuem Garn, sondern ihr müsst mit dem Anteil agieren, den euch die Spielfigur 2 zur Verfügung stellt. Eure Yarnys lassen sich dabei am Kopf, Körper und den Augen individuell anpassen und sogar die Farbe kann geändert werden.
Optisch ist Unravel Two, wie auch schon der Vorgänger, unglaublich schön gestaltet. Die Umgebung ist wahnsinnig realitätsgetreu, alle Pflanzen und Objekte in der Umgebung sehen aus wie echt. Die Yarnys wirken deshalb aber absolut nicht fremd in der Welt, sondern fügen sich gut in das Gesamtbild ein. Besonders schön sind die Momente vor denen man eigentlich im Spiel flüchten muss. Dinge wie Vögel, Fische oder Feuer, die für unsere Protagonisten natürlich Lebensgefahr darstellen, sind mit die Highlights des Spiels. Die Levels sind auch nicht eintönig gehalten, sondern wechseln sich in ihrer Umgebung gut und mit der Geschichte immer noch sinnvoll ab. Insgesamt erwarten euch sieben Kapitel in der Geschichte, die in jeweils 20 bis 30 Minuten abgeschlossen sind.
Jedes Kapitel bietet dabei verschiedene Challenges, die es teilweise echt in sich haben. Die Herausforderung jedes Level abzuschließen ohne zu sterben wird natürlich von Mal zu Mal kniffliger, die zeitlichen Herausforderungen, die euch mit Bronze, Silber und Gold auszeichnen sind von Anfang nicht leicht, insofern ihr es auf die Gold-Medaille abgesehen habt. Außerdem gibt es in jedem Level eine bestimmte Anzahl an sammelbaren Licht-Funken, die nicht immer leicht zu erreichen sind bzw. sogar schnell übersehen werden können, wenn ihr nicht genau genug im Level danach sucht. Neben der Story gibt es noch Challenge-Levels, in denen ihr zu zweit ans Ziel kommen müsst, um dort einen eingesperrten Yarny zu befreien. Diese schalten dann auch neue Anpassungen für euren kleinen Charakter frei.
Die Steuerung, die für einen Plattformer natürlich mit am wichtigsten ist, wurde im Vergleich zum ersten Teil nochmals verbessert. In Teil 1 fühlten sich Sprünge und Bewegungen teilweise noch etwas zu träge an, was aber durch den neuen Ansatz sogar Sinn macht, da der Yarny der älteren Dame auch schon älter war. Die beiden neuen Figuren hüpfen präziser und wendiger durch die Levels, der Wandsprung ist eine willkommene Neuerung im Gameplay. Lediglich die Steuerung wenn man alleine spielt, ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, da man wie bereits erwähnt zwischen den beiden Protagonisten wechseln muss, um bestimmte Rätsel abschließen zu können. Die Dynamik ist hier im Koop-Modus auf jeden Fall eine bessere, auch wenn es bei weitem schlechter hätte gelöst werden können. Frustmomente entstehen eigentlich nur am Anfang, sobald man die Steuerung und die Gegebenheiten abgespeichert hat, kann man sich auch alleine recht flott durch die Levels schwingen.
"Ich freue mich jedenfalls, dass Coldwood es geschafft hat einen schönen Nachfolger zum ersten Teil abzuliefern, der den Charme des Originals einfängt, sinnvoll durch neue Elemente erweitert und Lust auf mehr Unravel macht."
Unravel Two kam äußerst unerwartet. Aber genau so unerwartet wie es kam, so sehr habe ich mich dann auch darüber gefreut. Der Koop-Aspekt gibt dem Spiel einen schönen, neuen Twist, der auch im Singleplayer-Modus einigermaßen gut umgesetzt wurde. Man muss wie gesagt nur teilweise etwas umdenken. Für knapp 20€ sollte man vor allem zu zweit auf jeden Fall in den Titel reinsehen. Eine Switch-Version bleiben uns Martin Sahlin und sein Team, wie er nach der EA Play-Konferenz in einem Interview verraten hat, übrigens nur schuldig, weil sein Team nicht die Kapazitäten für einen Port hat und man durch die eigens entworfene Engine auch kein anderes Studio mit der Umsetzung beauftragen kann. Dadurch, dass die Geschichte offenbart hat, dass es mehr als nur einen Yarny gibt, kann man sich vermutlich auf weitere Abenteuer in diesem Universum einstellen. Ich freue mich jedenfalls, dass Coldwood es geschafft hat einen schönen Nachfolger zum ersten Teil abzuliefern, der den Charme des Originals einfängt, sinnvoll durch neue Elemente erweitert und Lust auf mehr Unravel macht. Und hoffentlich steht dann Martin Sahlin wieder aufgeregt auf einer E3-Bühne. Nicht weil ich hoffe, dass er aufgeregt ist, sondern weil kaum etwas die Liebe zum eigenen Spiel so ehrlich transportiert, wie diese Vorstellungen.