Von Miggi
Wir schreiben 2015. Also nicht jetzt, aber stellt euch das einfach mal vor. 2015 also. Genauer gesagt ist es Juni und wir befinden uns in Los Angeles auf der E3. Dort geht gerade die Pressekonferenz von Electronic Arts über die Bühne und neben dem Auftritt von Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2, aktuellen Trailern zu bekannten Franchises und etlichen neuen Sportspielen sticht eine Präsentation besonders heraus.
Als das kleine rote Männchen namens Yarny das erste Mal über den Bildschirm huscht und dem Zuseher zuwinkt geht ein Schluchzen durch den Saal und die Livestreams dieser Welt und es war klar - hier erwartet uns keine 08/15-Spiele-Kost, Unravel ist etwas Besonderes. Mit den Trailern in den darauf folgenden Monaten wurde dieses Gefühl nur noch mehr bestärkt, das Gameplay, das uns auf der Gamescom gezeigt wurde, hat uns Freudentränen in die Augen getrieben und seit dem 9. Februar wissen wir, dass wir nicht in die Irre geführt wurden.
Das vom schwedischen Team Coldwood Interactive entwickelte Spiel basiert auf einer Idee, die Director Martin Sahlin beim Campen mit seiner Familie hatte. Er bastelte aus altem Draht und etwas Garn die Figur, die wir jetzt als Yarny im Spiel sehen, aus ein paar lustigen Fotos in der Umgebung wurde eine größere Idee und schließlich Unravel. Das Spiel stellt euch vor die Aufgabe Erinnerungsstücke in den verschiedenen Levels zu finden, die dem Schwedischen Ort Umeå nachempfunden sind.
Durch seine sehr geringe Größe hat Yarny aber nicht mit seltsamen Alien-Gegnern oder Raketen-Rätseln zu kämpfen, wie wir es aus anderen Puzzle-Plattformern gewohnt sind, sondern mit alltäglichen Dingen wie einem fehlenden Brett in einer Brücke, bedrohlichen Nagetieren und Pfützen. Ganz normalen Pfützen. Was für uns nämlich eine kleine Wasserlake am Wegrand ist, ist für Yarny ein großer See. Und den gilt es als kleines Wollknäuel erstmal zu überwinden. Ich würde umkehren und wieder nach Hause gehen. Aber ich bin ja zum Glück auch größer als 20cm.
So lauft, hüpft und schwingt ihr euch durch 11 wunderschön gestaltete Levels, in denen es viel zu entdecken gibt - alleine was sich im Hintergrund eines Abschnitts manchmal abspielt ist es Wert stehen zu bleiben und genauer hinzusehen. Jeder Schritt macht dem Spieler mehr bewusst wie viel Detail und vor allem wie viel Liebe in Unravel steckt. Das 14-köpfige Team rund um Sahlin hat hier eine lebendige Welt geschaffen, die den Eindruck erweckt, als wäre diese Geschichte genau so passiert und abgefilmt worden. Dazu kommt das abwechslungsreiche Design, das Unravel zu etwas ganz Besonderem macht. Seien es bunte Blumenwiesen, eine eisige Schneelandschaft oder gruselige Höhlen - all das könnt ihr in Unravel entdecken und erkunden.
Um allerdings so weit zu kommen müsst ihr lernen Yarnys Beschaffenheit und seine Fähigkeiten geschickt einzusetzen. Per Knopfdruck schwingt ihr einen Faden als Lasso, müsst Alltagsgegenstände verschieben um daran hochzuklettern, baut euch ein Trampolin aus zwei Knotenpunkten oder verwendet in einer Sequenz eine Plastiktüte als Fallschirm - Yarnys Fähigkeiten sind überschaubar, aber dafür vielseitig einsetzbar. Dabei müsst ihr außerdem immer darauf achten, dass der kleine Protagonist nicht endlos viel Faden besitzt. Je weiter ihr im Level geht, desto mehr Faden verliert er und muss sich zwischendurch neuen Faden aufrollen. Den findet ihr an den Checkpoints, die auf diesem Weg perfekt in das Spiel eingebaut wurden.
Hinter der süßen Fassade verbirgt sich eine wunderschöne Geschichte rund um Erinnerungen, Vergänglichkeit, Liebe und Freundschaft. In jedem Bereich seht ihr in Form von leuchtenden Schatten Momente aus der Vergangenheit, erhaltet am Ende des Abschnitts Fotos, die ihr später im Fotoalbum findet und könnt euch so nach und nach die Handlung des Spiels selbst zusammensetzen. Yarny ist dabei mehr als nur eine kleine Wollfigur, die ihr steuert - er ist euer Begleiter auf einer Reise durch die Vergangenheit seiner "Familie" und hinterlässt auf seiner Reise den roten Faden, der sich durch die ganze Geschichte zieht. Und das nicht als Metapher. Also auch. Aber den Faden lässt er ja wirklich da.
"Unravel ist für mich der erste große Hit im Jahr 2016 und zeigt, wie es Ori and the Blind Forest im Jahr 2015 getan hat, dass das Genre der innovativen 2D-Plattformer definitiv nicht ausgestorben ist."
Unravel ist für mich der erste große Hit im Jahr 2016 und zeigt, wie es Ori and the Blind Forest im Jahr 2015 getan hat, dass das Genre der innovativen 2D-Plattformer definitiv nicht ausgestorben ist und vor allem, dass auch kleine Entwicklungsteams die Chance haben große Hits zu landen. Hoffentlich erwarten uns in den kommenden Jahren noch mehr solcher Überraschungen. Bis dahin bastel ich mir meinen eigenen Yarny (HIER) und mache lustige Fotos mit ihm.