Ultros

   Von Miggi

Titelbild zu Ultros von Hadoque und Kepler Interactive

Die PC- und PlayStation-Mäuse von euch da draußen werden sich jetzt vermutlich fragend an den Kopf fassen und denken "Hä? Das Spiel ist doch jetzt schon ein Jahr alt! Warum kommt da jetzt erst eine Review dazu?". Und ja, ihr habt recht, das Spiel erschien bereits Anfang 2024 für PC und PlayStation. An der Stelle möchte ich aber euch allen, die mir dieses Spiel bisher nicht wärmstens empfohlen haben genau das vorwerfen. Auch wenn ich letztes Jahr im Februar und März mit Like A Dragon: Infinite Wealth, Persona 3 Reload und einer Japan- und Südkorea-Reise gut beschäftigt war, hätte man mir das zumindest für danach mitgeben können. Schande! Schande über euch! Schande über eure Kuh! Aber zum Glück wurde das Spiel vor kurzem auf für Xbox und Nintendo Switch veröffentlicht und diesmal ist es nicht an mir vorüber gegangen. Das bunte Artwork hat mich sofort neugierig gemacht und zum Glück dazu bewegt mir das Spiel mal genauer anzusehen. Denn im ersten Moment wirkte es wie für mich gemacht. Aber gucken wir mal, ob Ultros seine Versprechen auch halten kann.

Mittlerweile fast schon genretypisch ist die Hintergrundgeschichte in Ultros eher mysteriös und wird euch als Spieler*in nicht unbedingt auf die Nase gebunden. Wenn ihr wirklich wissen wollt, was rund um euch abgeht, solltet ihr also auf jeden Fall die Augen aufhalten und gut auf das environmental Storytelling, also die Geschichte die durch die Spielwelt an sich erzält wird, achten und auch mit den verschiedenen NPCs sprechen, die ihr verteilt über die Map immer wieder finden werdet. Ihr wisst nur so viel: ihr wacht als Spielfigur auf einem großen, im Weltraum umher treibenden Gebilde auf, dem sogenannten Sarkophag. Hier ist das titelgebende dämonische Wesen Ultros gefangen und ihr befindet euch hier in einer Zeitschleife, die immer wieder von vorne beginnt, sobald ihr bestimmte Bedingungen erfüllt. Was eure Rolle hier genau ist, wird sich erst nach und nach herausstellen und auch wie ihr die Loop-Mechanik nutzt, das überlasse ich lieber euch herauszufinden, da auch dieses Erforschen, Entdecken und Dinge herausfinden ein ganz besonderer Teil des Spiels selbst ist.

Die Spielfigur steht vor einer Kristallblume in Ultros von Hadoque und Kepler Interactive
Die grünen Kugelchen sehen fast aus wie Oliven. Psychedelische, seltsame Oliven. ABER Oliven.

Im ersten Moment könnte man meinen in Ultros erwartet einen ein relativ geradliniges, wenn auch sehr buntes und abgefahrenes, Metroidvania. Und so richtig falsch würde man da auch nicht liegen. Ihr bewegt euch durch eine Spielwelt, die aus verschiedenen Biomen besteht. Diese könnt ihr von Anfang an relativ frei erkunden, bis ihr an bestimmten Orten an Blockaden stoßt, die ihr erst mit dem richtigen Equipment bzw. der richtigen Fähigkeit weiter erkunden könnt. Und die findet ihr meistens woanders, wodurch das Spiel euch doch einen gewissen Pfad vorgibt, ohne euch zu viel an der Hand zu nehmen. Direkt zu Beginn wird euch aber gleich eine sehr interessante Mechanik mitgegeben: die Pflanzensamen. Überall verteilt findet ihr verschiedene Arten von Samen, die ihr anpflanzen könnt, um etwa Plattformen entstehen zu lassen, Maschinen mit den Wurzeln zu sabotieren oder Lianen an der Decke erscheinen zu lassen, an denen ihr euch schwingen könnt. Je nachdem für welche Art ihr euch an welchem Ort entscheidet, können verschiedene Dinge passieren und so bekommt dieses Element ein ganz besonderes Puzzle-Feeling.

 

Gleichzeitig bekommt ihr pro neuem Loop von Anfang an ein Schwert zur Hand, mit dem ihr euch gegen Feinde wehren könnt. Je nachdem wie  variantenreich ihr diese besiegt, bekommt ihr von ihnen verschiedenes Material, das ihr entweder als Dünger für Pflanzen oder für euch selbst als Essen nutzen könnt. Düngt ihr eure Pflanzen, müsst ihr einen Cycle abwarten, esst ihr die Überbleibsel, erhaltet ihr nicht nur Gesundheit zurück, sondern auch Erfahrungspunkte in mindestens einem von vier Werten. Und diese Erfahrung könnt ihr an Checkpoints in verschiedene Skills stecken - so bekommt ihr etwa einen Wandsprung, eine Schleichattacke, mehr Gesundheit oder auch Markierungen auf der Karte. Das besondere an Ultros: bei jedem neuen Loop-Start verschwinden sowohl eure Skills, als auch eure Items, wie eben Nahrung oder Samen. Mit in der Welt teilweise sehr gut versteckten Items könnt ihr bestimmte Skills speichern, damit diese nicht verschwinden, aber der Rest ist erst mal wieder futsch und die Items könnt ihr auch nicht behalten, außer ihr habt die Samen in der Spielwelt gepflanzt. So bekommt das Spiel einen Art Roguelite-Aspekt, der es vor allem für mich noch viel besonderer und charmanter gemacht hat.

Die Spielfigur trifft einen NPC vor einem Schrein in Ultros von Hadoque und Kepler Interactive
Nicht jede Figur, die ihr in der Welt trefft, steht euch direkt in einem Kampf gegenüber.

Euer wichtigstes Utensil in Ultros ist aber weder die Timeloop-Mechanik, noch sind es die Pflanzen oder eure Charakter-Skills, sondern der Extraktor, ein kleiner Roboter, der euch stets folgt und ziemlich hilfreich zur Seite steht. Nach und nach schaltet ihr für diesen verschiedene Upgrades frei, mit denen ihr euch etwa in die Erde graben, kurze Zeit fliegen bzw. durch Wasser dashen oder auch per Sägeblatt Pflanzenstränge absäbeln könnt. Diese Fähigkeiten sind essenziell, um im Spiel voran zu kommen und ihr könnt sie jederzeit per Tastendruck und Kreis-Menü auswechseln. Es lohnt sich also auch später zu Gebieten zurückzukehren, in denen ihr vielleicht sogar schon den Boss besiegt habt oder denkt, dass alles erkundet ist, denn vielleicht kommt ihr ja mit eurem Extraktor noch in eine neue Ecke, die ihr vorher noch nicht erreicht habt und findet etwas praktisches. Nützlich ist dabei auch die Karte der Welt, die euch mit pinkem Glow anzeigt, falls noch irgendwo ein Gang nicht erkundet wurde und hands down - ohne die wäre ich teilweise einfach richtig verloren gewesen bzw. war es teilweise sogar mit ihr, wenn ich versucht habe einen Weg in die rechte obere Ecke zu finden, nur um dann festzustellen, dass ich einfach an der ganz falschen Stelle gesucht habe. Teilweise ist die Navigation durch die Welt echt nicht so leicht, aber ganz festgesteckt bin ich nie und selbst wenn ich mal etwas länger gesucht habe, wo es weitergeht, habe ich zumindest etliche versteckte Items finden können, was ja auch nicht so schlecht ist.

 

Ultros macht aber nicht nur das alles richtig gut - auch die Kämpfe bzw. die Kampfmechaniken sind verdammt spaßig und belohnen euch, wie weiter oben schon kurz erwähnt, wenn ihr Gegner so ausschaltet, dass ihr nie mit der selben Attacke zwei Mal trefft. Dann droppen sie nämlich besonders seltenes Material, dass euch mehr Erfahrungspunkte und HP gibt, als normalerweise. Aber auch die Bossfights sind, auch wenn es nicht besonders viele gibt in Vergleich zum z.B. Hollow Knight, richtig gut gelungen. Es macht Spaß die Patterns der Gegner zu lernen, die verschiedenen Moves aneinander zu reihen und zu versuchen als Sieger vom Schlachtfeld zu gehen. Und keine Sorge: wenn ihr einmal sterben solltet, geht nicht direkt der nächste Loop los, sondern ihr respawned am Checkpoint, an dem ihr zuletzt gerastet habt. Die Zeitschleife wiederholt sich erst an ganz bestimmten, storyrelevanten Punkten. Das macht das Spiel an sich etwas einfacher, da es mehr verzeiht und so richtig hart, fand ich die Kämpfe zu keinem Zeitpunkt, auch wenn sie natürlich teilweise fordernd sind. Die Balance zwischen Challenge und gleichzeitiger Quality of Life-Features stimmt hier einfach sehr gut.

Die Spielfigur steht vor einem großen Würfel in Ultros von Hadoque und Kepler Interactive
Der Companion Cube sah letztes Mal aber noch ganz anders aus.

Wir können diese Review aber natürlich nicht einfach so stehen lassen, ohne über den riesigen, rosaroten, psychedelischen Elefanten im Raum zu sprechen: wie abgefahren sieht das Spiel bitte aus? Und der Look kommt nicht von ungefähr, denn niemand anders als Niklas Åkerblad, auch besser bekannt als El Huervo, den man bestimmt schon durch das Cover-Art von Hotline Miami kennt, ist für diesen unverwechselbaren Artstyle verantwortlich. Egal in welchem Gebiet ihr euch gerade befindet, jede Ecke von Ultros strotzt nur so vor Details und wilden Farbkombinationen und ich glaube es gibt wenige Spiele, deren Look so unverkennbar sind, wie der von Ultros. Und trotzdem fühlt es sich beim Spielen selbst nie zu überladen an oder lenkt einen zu sehr ab, wovor ich doch etwas Angst hatte zu Beginn. Musikalisch wird das Ganze unterlegt durch einen atmosphärischen und mystischen Soundtrack von Oscar Rydelius aka Oscar Rydelius, der einfach perfekt zu diesem Spiel passt.

"Dass Metroidvania- und Roguelite-Elemente gepaar mit ein bisschen gärtnern so gut zueinander passen, hätte ich nicht erwartet und, dass Ultros so viel mehr ist als ein abgefahrener Eyecatcher, der durch seinen psychedelischen Look punktet, hat mich unfassbar glücklich gemacht."

Was bin ich froh, dass diese Perle von einem Spiel zum einjährigen Jubiläum und dem Release auf Xbox und Switch nicht einfach wieder an mir vorübergezogen ist und ich trotz vollem Februar die Zeit gefunden habe, das Mysterium rund um den Sarkophag, den Timeloop und alles drumherum zu erkunden. Dass Metroidvania- und Roguelite-Elemente gepaar mit ein bisschen gärtnern so gut zueinander passen, hätte ich nicht erwartet und, dass Ultros so viel mehr ist als ein abgefahrener Eyecatcher, der durch seinen psychedelischen Look punktet, hat mich unfassbar glücklich gemacht. Ich wundere mich immer noch, dass dieses Spiel so lange an mir vorbeigegangen ist, bin aber umso glücklicher, dass ich es euch jetzt ans Herz legen kann. Ultros ist ein ganz besonderes Spielerlebnis und hat mich von Zeitschleife Nummer 1 bis ans Ende komplett in seinen Bann gezogen und ich hoffe, dass diese Review zumindest ein paar von euch da draußen motiviert auch selbst mal einen Blick zu riskieren. Ihr werdet es definitiv nicht bereuen.

Wertung zu Ultros von Hadoque und Kepler Interactive
4,5 von 5 Cacomins.