Turbo Overkill

   Von Miggi

Titelbild zu Turbo Overkill von Trigger Happy Interactive und Apogee Entertainment

Ich kann mir selbst nicht zu 100% erklären, wie das genau passiert ist, aber seit ein paar Jahren habe ich wahnsinnig viel Spaß mit dem Genre der Boomer Shooter, das davor viel zu lange einfach an mir vorbei gegangen ist. Ich glaube DOOM und DOOM Eternal haben da auf jeden Fall ihren Anteil geleistet, aber auch klassischere Titel wie Cultic oder Ion Fury haben es geschafft, dass ich mich mittlerweile echt freue, wenn wieder einmal ein neuer Genre-Vertreter den Ring betritt. So richtig "neu" ist Turbo Overkill von Trigger Happy Interactive und Apogee Entertainment mittlerweile nicht mehr, denn das Spiel erschien bereits 2022 im Early Access, bevor es im August 2023 auf Steam seinen offiziellen Release gefeiert hat. Ich schiebe es aber einfach mal auf die jährliche gamescom-Vorbereitung, dass ich diesen Release zu der Zeit damals einfach komplett verpasst habe. Mittlerweile wurde Turbo Overkill auf Switch, Xbox und PlayStation veröffentlicht und in diesem Zuge konnte ich auch endlich mal einen Blick darauf werfen.

Ihr erlebt das Geschehen im Spiel durch die Augen von Johnny Turbo, der zu Beginn der Story in seine Heimatstadt Paradise zurückkehrt, die von einer KI namens Syn die Stadt übernommen wurde. Die KI hat eine Horde genetisch angepasster Untergebene auf Paradise losgelassen und weil Johnny gravierende Geldprobleme hat und die Sünden seiner Vergangenheit wieder gut machen will, nimmt er den Auftrag an, Syn zu vernichten und die Stadt zu befreien. Dabei legt er sich nicht nur mit Syn an, sondern auch mit einem Haufen rivalisierender Kopfgeldjäger. Und bevor ihr euch nun auf eine tiefgehende und komplexe Story freut - auch wenn die Geschichte immer wieder durch immersiv inszenierte Videosequenzen aus der First Person zwischen den einzelnen Abschnitten weitererzählt wird, so richtig relevant fürs Spielerlebnis ist das alles nicht unbedingt. Das vergisst man als Spieler*in aber auch selbst gerne, wenn einem das temporeiche Gameplay um die Ohren fetzt, vor allem weil sich das Spiel selbst auch nicht zu ernst nimmt und immer wieder durch humoristische Elemente klar macht, dass man genau weiß, welches Publikum man hier bedient.

Johnny Turbo kämpft mit Kettensägen gegen seine Gegner in Turbo Overkill von Trigger Happy Interactive und Apogee Entertainment
Chainsaw Man but make it Cyberpunk.

Solo-Entwickler Sam Prebble, der gerade an seinem zweiten Spiel Total Chaos arbeitet, hat für Turbo Overkill eine schön abgefuckte Cyberpunk-Dystopie erschaffen, durch die ihr euch meistens so schnell bewegt, dass ihr gar nicht alle Details sehen werdet. Solltet ihr euch aber doch einmal die Zeit nehmen und eure Umgebung bewundern, präsentiert sich euch in insgesamt 24 Levels, die wiederum aufgeteilt sind in 3 Kapitel, eine wirklich durchdacht gestaltete Spielwelt mit vielen kleinen Easter Eggs und natürlich immer der Möglichkeit so schnell ihr könnt durch das jeweilige Level zu rushen. Ich wurde dabei nie von irgendwelchen Elementen oder der Suche nach dem Weg ausgebremst und konnte fast immer meinen Flow aufrecht halten, außer wenn ich mir selbst mal ein bisschen mehr Zeit genommen habe, um versteckte Gegenstände zu suchen, die entweder "nur" mehr Lore zur Welt freischalten, im Falle der Tech-Chips aber auch Extras wie den Big Head Mode, unlimitierte Munition oder verringerte Gravitation freischalten.

 

Zu Beginn des Spiels hat Johnny in seinem Inventar erst einmal zwei Akimbo-Pistolen mit Standard- und sekundärer Feuer-Option und eine Kettensägen-Prothese im Bein, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen (müssen). Euer Inventar könnt ihr im weiteren Spielverlauf noch ordentlich ausbauen und bekommt etwa eine Schrotflinte, Uzis oder einen Raketenwerfer, bis ihr auf insgesamt 10 verschiedene Waffen Zugriff habt. Die Waffen haben dabei wie auch die Pistolen ein freischaltbares Sekundärfeuer, das ihr teilweise auch benötigt, um bestimmte Gegnertypen auszuschalten. Für jede Waffe gibt es ganz genretypisch Munitionspacks in den Levels zu finden und vor allem in größeren Fights müsst ihr definitiv das ein oder andere Mal durch die Waffen switchen, weil einer oder mehreren die Kugeln ausgehen werden. Die verschiedenen Waffen punkten in Turbo Overkill nicht unbedingt mit Innovation, haben mir aber alle Spaß im Handling gemacht und liefern genau das, was man erwartet. Im weiteren Spielverlauf habe ich eigentlich nur die Pistolen nicht ganz so häufig genutzt, sonst hatte ich viel Spaß bei der Rotation durch die verschiedenen Typen.

Johnny Turbo kämpft mit einer Schrotflinte gegen mehrere Gegner in Turbo Overkill von Trigger Happy Interactive und Apogee Entertainment
Ohne doppelläufige Schrotflinte wäre kein Boomer Shooter ein richtiger Boomer Shooter.

Wovon ich in Turbo Overkill aber wirklich gar nicht genug kriegen konnte, war die Kettensäge in Johnny's Bein. Mit dieser könnt ihr per Knopfdruck mit ordentlich Geschwindigkeit über den Boden rutschen und dabei alles kleinhäckseln, was sich euch in den Weg stellt. Trigger Happy Interactive aka Sam Prebble hat dazu in einem Reddit-AMA zum Spiel erklärt, dass diese Fähigkeit bereits direkt in der Prototypen-Phase des Spiels integriert wurde und er sich dabei vom Slide in Apex Legends inspirieren ließ. Sobald also ein paar Feinde vor euch aufgereiht stehen, empfiehlt es sich fast immer einfach mal mit der Kettensäge im Knie voraus in die Gruppe zu rutschen, sich schnell umzudrehen und zu gucken, wer noch steht, bevor ihr dann mit ein paar Schuss aus der Knarre eurer Wahl weitermacht. Der Slide ist nicht nur ein richtig spaßiges Werkzeug im gesamten Movement des Spiels, sondern gleichzeitig auch eine Idee, die ich so bisher noch in keinem Spiel gesehen habe. Nachdem ich Turbo Overkill gespielt habe, wünsche ich mir aber mehr Kettensägen-Knie-Ground-Slides in Videospielen.

 

Das Spiel gibt euch aber noch weitere Werkzeuge an die Hand, mit denen ihr euch so schnell durch die Maps bewegt, dass man vor allem auf der Konsole teilweise echt froh über das Auto Lock-on ist, da man sonst schnell mal den Überblick verlieren könnte. Neben dem Doppelsprung, der Fähigkeit an Wänden entlang zu laufen und einem Dash, den ihr sowohl am Boden als auch in der Luft ausführen könnt, habt ihr noch einen Greifhaken und in bestimmten Abschnitten sogar Zugriff auf euer fliegendes Auto oder ein Motorrad. Diese Abschnitte lockern das reguläre Gameplay gut auf, dauern aber auch nicht zu lange und fügen sich perfekt ins restliche Spiel ein. Die Geschwindigkeit des Spiels ist definitiv sehr hoch, der Schwierigkeitsgrad aber zum Glück im normalen Modus nicht unfair oder viel zu hoch. Ihr habt aber natürlich auch die Möglichkeit entweder im Easy Mode zu spielen, oder euch das Spiel extra-schwer zu machen, indem ihr aus einem von 5 Modi auswählt.

Johnny schwingt sich mit seinem Greifhaken durch Trümmer in der Luft in Turbo Overkill von Trigger Happy Interactive und Apogee Entertainment
Ich glaube es gibt kein Spiel, das nicht durch einen Greifhaken noch besser gemacht wurde.

Das in der Unity Engine entwickelte Spiel lässt euch komplette Freiheit beim Zielen und spielt sich trotz der hohen Geschwindigkeit und Effekten auf dem Screen zu jedem Zeitpunkt komplett flüssig. Ein Bug hat mir auf der Xbox leider einmal meinen kompletten Progress gelöscht, was vermutlich mit der Quick Resume-Funktion zu tun hatte, sonst hatte ich aber keinerlei Bugs oder Abstürze und so richtig sauer war ich jetzt auch nicht, dass ich noch einmal mehr Turbo Overkill spielen muss. Die verschiedenen Lichtquellen, Laser, Neon-Schilder, Explosionen und Co. schaffen eine aufwändige und vor allem sehr schöne Atmosphäre die perfekt zur Cyberpunk-Thematik passt. Die Gegner, Waffen und auch alle anderen Objekte bestehen im Spiel allesamt aus 3D-Models, Turbo Overkill spielt aber viel mit gering auflösenden Texturen bzw. einer Pixel-Optik, die einen einzigartigen Look ins Spiel bringen. Der Soundtrack hat mehr als ein paar Synthwave-Bretter im Gepäck, wechselt passend zwischen langsamen Beats, wenn ihr gerade am Erkunden seid und schnellen Brechern im Kampf und vor allem in hitzigen Kampfsituationen, hatte ich meine Kopfhörer noch einmal extra lauter gemacht.

"Turbo Overkill zeigt, dass Oldschool-Boomer Shooter auch heutzutage mehr als nur eine Daseinsberechtigung haben und ich hoffe einfach, dass dieses Genre nie ausstirbt."

Was bin ich froh, dass ich durch den Konsolen-Release doch noch auf dieses Spiel aufmerksam wurde. Die ca. 12-stündige Story habe ich mit den Synthwave-Beats auf den Ohren und der Kettensäge im Knie mit Freude durchgespielt und mittlerweile wurden dem Spiel neben dem Storymodus auch ein Endless Mode hinzugefügt, falls ihr auch nicht genug vom Rutschen durch Gegnerhorden bekommen könnt. Turbo Overkill zeigt, dass Oldschool-Boomer Shooter auch heutzutage mehr als nur eine Daseinsberechtigung haben und ich hoffe einfach, dass dieses Genre nie ausstirbt. Und obwohl das Spiel nach einem Bossfight einmal meinen kompletten Progress gelöscht hat (seid einfach vorsichtig mit Quick Resume auf der Xbox), hatte ich eine wundervolle Zeit mit dem Titel, der bestimmt nicht das letzte Mal über meinen Fernseher geflimmert ist. Außerdem freue ich mich jetzt schon darauf zu sehen, was Sam Prebble mit Total Chaos im Survival-Horror-Genre anstellt und da werde ich dann (hoffentlich) auch nicht den Release wegen was auch immer übersehen!

Wertung zu Turbo Overkill von Trigger Happy Interactive und Apogee Entertainment
5 von 5 S.A.M.Ms.