Von Miggi
2017 ist ein gutes Jahr für Horror-Fans. Resident Evil 7 hat im Januar ordentlich vorgelegt und wird bald mit dem angekündigten DLC Not a Hero fortgesetzt. Und am Freitag, den 13. Oktober erschien nun die lange erwartete Fortsetzung der The Evil Within-Reihe. Die Reihe fand unter Shinji Mikami 2014 ihren Anfang und hat, nicht nur durch den Prominenten Project Director, Eindruck in der Gaming-Szene hinterlassen. Durch die damals vielen zu actionlastige Entwicklung der Resident Evil-Reihe, war The Evil Within für viele der große Heilsbringer des Survival Horror-Genres, auch wenn Teil 1 einige, kleine Macken hatte.
Der Ankündigungstrailer zum Nachfolger wurde auf der diesjährigen E3 zum ersten Mal gezeigt und ließ neben runtergeklappten Kinnladen bereits auf Großes hoffen. Diese Erwartungen wurden (bei mir) nicht nur erfüllt, sondern sogar noch übertroffen. The Evil Within 2 unterscheidet sich stark vom Vorgänger. Dass das nichts schlechtes ist, obwohl für mich Teil 1 bei weitem kein Reinfall war, hat mir meine Reise nach Union sehr ausführlich bewiesen.
Die größte und weitreichendste Änderung gleich als erstes: Ihr bewegt euch in einer sehr großen und offenen Welt. In Union, der Stadt in der der Großteil der Handlung stattfindet, könnt ihr euch frei bewegen - zumindest soweit es euch die Stadt und die Story ermöglicht. Das lässt bei mir eine Stimmung aufkommen, wie es lange kein Horror-Spiel mehr geschafft hat. Zuletzt war das gefühlsmäßig Silent Hill 2. Ihr habt fast nie die bedrückende Angst, die schmale Gänge und eher schlauchige Levels aufkommen lassen können, dennoch fühlt ihr euch auch nirgends komplett sicher. Was, wenn hinter der Hausecke im hohen Gras der nächste Zombie lauert? Das erkunden der Stadt wird so zum großen Nervenkitzel.
Es gibt nämlich allerlei versteckte Orte und Verstecke zu entdecken, die vollgepackt sind mit Gefahren, aber auch Gegenständen, die euch das Spiel sehr erleichtern werden. Vorausgesetzt ihr meistert die Situationen die davor so gut wie immer auf euch warten. Dabei kann es schonmal vorkommen, dass ihr wegen 3 Shotgunkugeln in einen Raum voller Gegner schleicht, diese euch entdecken und ihr mit weniger Kugeln als zuvor den Raum verlasst. So müsst ihr jedes Mal taktisch überlegen, ob es sich wirklich lohnt bestimmte Räume zu betreten, oder ob ihr die paar Kugeln lieber einfach dort liegen lasst, um ohne Schaden weiterzugehen.
Die Spielmechanik hat sich im Vergleich zu Teil 1 nicht verändert. Ihr steuert den Protagonisten Sebastian immer noch in der 3rd Person, ihm über die Schulter blickend. Im Laufe des Spiels sammelt ihr allerhand Waffen für euer Arsenal und verschiedene Hilfsgegenstände. Zum Beispiel könnt ihr Flaschen sammeln, mit denen ihr die Aufmerksamkeit der Gegner in eine bestimmte Richtung lenken könnt. Ihr solltet eure Augen auch stets nach Waffenteilen, mit denen ihr eure Waffen aufleveln könnt und weiteren Crafting-Elementen offen halten. Diese Vorräte werden spätestens vor den Bosskämpfen knapp, wenn ihr euer ganzes Schießpulver zu Patronen machen müsst, damit ihr auf die starken Gegner vorbereitet seid.
Neben euren Waffen könnt ihr aber auch Sebastian "aufleveln". Besiegte Gegner lassen (fast immer) grünes Gel am Boden zurück, dass ihr aufsammeln und bei der Krankenschwester Myra in Upgrades umtauschen könnt. In guter RPG-Manier könnt ihr euch frei entscheiden, in welche Richtung ihr den Charakter entwickelt. Ist es euch wichtiger beim Schleichen nicht gehört zu werden, wollt ihr weniger Rückstoß beim Abfeuern einer Waffe oder setzt ihr lieber auf einen ausgebauten Ausdauer-Balken, um in brenzligen Situationen die Beine schnell in die Hand nehmen zu können? Das Zusammenspiel aus all diesen Elementen gibt The Evil Within 2 einen ganz besonderen Twist, den ihr in kaum einem anderen Spiel so finden werdet.
Ein weiterer herausstechender Punkt ist das Gegnerdesign. Egal ob es die menschlichen Charaktere oder die Monster sind, die euch an den Kragen wollen - die Darstellung der Figuren ist perfekt gelungen. Je weiter euer Spielfortschritt, desto bedrohlicher werden eure Feinde und das äußert sich auch in deren Aussehen. Aber auch die "normalen" Gegner können euch wirklich gefährlich werden, wenn ihr nicht aufpasst. Vor allem am Anfang des Spiels, wenn ihr noch nicht viele Waffen habt und euer Charakter noch schwächer ist. Oft ist es da die klügere Idee in gewissen Arealen umzukehren und erst zurückzukommen, wenn ihr euch der Aufgabe gewachsen fühlt. Ein Pluspunkt dabei: Das Spiel lässt euch diese Entscheidung offen. Ob ihr wie Rambo laut drauf losballert, einen Feind nach dem anderen lautlos umbringt oder alle leben lasst und euch an den Gegnern vorbeischleicht. Ihr spielt so, wie es euch am meisten Spaß macht und am leichtesten fällt.
Und wenn wir schon beim Schießen sind: Anfangs fiel mir das Zielen mit der Pistole noch sehr schwer. Ich kann nicht genau sagen warum, aber ich hatte meine Probleme die Gegner da zu treffen wo ich es wollte. In den Kopf. Oder überhaupt. Aber in diesem Punkt hat das Spiel elegant Abhilfe geschaffen. Zu einem gewissen Zeitpunkt im Spiel öffnet sich euch in eurem Hub-Stützpunkt ein weiterer Bereich, in dem es einen Schießstand inklusive zwei Minispielen gibt. An diesem könnt ihr nicht nur eure Schießkünste mit der Pistole verbessern, sondern es gilt auch Highscores zu schlagen und Preise wie grünes Gel und Waffenteile zu gewinnen. Win-Win-Situation für euch.
Die Story des zweiten Teils ist von Sekunde Eins an packend erzählt. Wer den Vorgänger gespielt hat, wird sich sofort zurecht finden und kann in eine spannend erzählte Geschichte eintauchen. Aber auch, wenn ihr The Evil Within 1 nicht gespielt oder beendet habt, wird euch genug an Backgroundinfos gegeben, damit ihr versteht worum es geht. Neben mitreißenden Videosequenzen, wird die Geschichte durch geistähnliche Erinnerungsfragmente und Dokumenten aufgeschlüsstelt, die ihr verteilt in der Spielwelt finden könnt. Je genauer ihr sucht, desto mehr werdet ihr am Schluss über Union und das Drumherum erfahren haben - haltet also immer ein Auge offen, wenn ihr durch die verschiedenen Spielabschnitte schleicht. Mit über 15 Stunden Spielzeit hat The Evil Within 2 einen Spielumfang, der sich sehen lassen kann. Langweilig wird euch also bestimmt nicht.
Leider bleibt das Spielerlebnis nicht komplett ungetrübt. Hin und wieder glitcht eure Spielfigur ein, zwei Meter von Fleck zu Fleck. Das ist mir insbesondere aufgefallen, wenn ich Items aufgenommen habe. Ein weiterer Kritikpunkt für mich persönlich, war das Fehlen einer Schnellreisefunktion von Abschnitt zu Abschnitt. Ohne zu spoilern wäre diese Funktion für mich wirklich wichtig gewesen, da ich im ersten Abschnitt ein wichtiges, aber nicht storyrelevantes Item liegen gelassen habe. Ich dachte ich könnte jederzeit bzw. schnell zu dem Abschnitt zurückkehren, dem war aber nicht so. Die Funktion von einem Safehouse zum anderen zu reisen, wäre durch die bekannten Spiegel nicht schwer einzubauen gewesen und hätte mir einiges erleichtert. Im Großen und Ganzen kann ist das aber Jammern auf sehr sehr hohem Niveau und hat mein Spielerlebnis nicht gravierend beeinflusst.
"The Evil Within 2 schafft, woran viele zweite Teile gescheitert sind. Es erkennt die Fehler des ersten Teils, bessert sie aus und würzt das Endprodukt mit neuen Elementen, die sich perfekt für das Spiel eignen."
The Evil Within 2 schafft, woran viele zweite Teile gescheitert sind. Es erkennt die Fehler des ersten Teils, bessert sie aus und würzt das Endprodukt mit neuen Elementen, die sich perfekt für das Spiel eignen. Seit Silent Hill 3, das ich geliebt habe und eines meiner absoluten Horror-Highlights darstellt, hat mich atmosphärisch kaum ein Grusel-Game so in den Bann gezogen wie The Evil Within 2. Bethesda und vor allem das Entwicklerteam Tango Gameworks haben ganze Arbeit geleistet und zum Ende des Jahres nochmal einen Kracher rausgehauen, der sich locker mit Resident Evil 7 um die Survival Horror-Krone des Jahres 2017 streiten kann.