Von Yvonne
Es geht doch nichts über einen kleinen Grusel! Als ich letztes Jahr auf der gamescom am Stand von Bandai Namco zufälligerweise über The Dark Pictures Anthology – Man of Medan stolperte, war ich direkt Feuer und Flamme. Das Survival Horror Adventure der Until Dawn-Macher, Supermassive Games, hatte auf den ersten Blick alles was es brauchte, um mich in seinen Bann zu ziehen und dementsprechend hoch waren auch die Erwartungen zum Release. Und auch dieses Jahr war der Titel wieder auf der Messe zu sehen und anspielbar, ehe am die erste Episode der Dark Pictures Anthology am 30. August für Xbox One und Playstation 4 veröffentlicht wurde.
Die Geschichte dreht sich um eine fünfköpfige Gruppe junger Erwachsener, die sich zusammen auf einen Tauchtrip begeben. Mitten auf dem Ozean landen sie jedoch, durch widrige Umstände, auf einem verlassenen, alten Militärdampfer, auf dem es mehr als unheimlich zugeht. Euer Ziel ist es nun, durch das Treffen von (hoffentlich) klugen Entscheidungen, mit Brad und seinem Bruder Alex, dessen Freundin Julia, ihrem Bruder Conrad - gespielt von Shawn Ashmore - sowie Kapitänin Fliss, das Geheimnis um die SS Ourang Medan zu lüften und natürlich, möglichst vollzählig und in einem Stück, das Gruselschiff wieder zu verlassen.
Da Man Of Medan von seiner Story lebt, sei - wie immer - über den Plot an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Was man aber sagen kann, ist, dass nichts so ist wie es scheint. Auch wenn die Story vielleicht nicht die ausgebuffteste ist, gefielen mir die Erzählweise, Handlungsstränge und Twists insgesamt doch gut. Was die Charaktere angeht, hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht. Insgesamt wirkt jede Person für sich sehr flach und weder sonderlich liebens- oder hassenswert. Obwohl man durch die Entscheidungen die man im Laufe des Spiels trifft, nicht nur den Verlauf der Geschichte, sondern auch die Beziehungen der Charaktere untereinander beeinflusst, gerät dieser Aspekt eher in den Hintergrund. Das ist dann doch ein bisschen schade, da ein tieferes Charakterprofil auch immer dazu führt, sich eher mit einem Charakter zu identifizieren. So waren mir persönlich die Tode mehr oder weniger „egal“.
Die erste Episode der Dark Pictures Anthology kommt mit 2 Spielmodi: Zum einen kann man die Story klassisch im Single-Player Modus erleben. Dabei spielt man selbst abwechselnd jeden Charakter in einem Abschnitt des Spiels. Während man das gruselige Schiff erkundet, gilt es die zahlreichen Collectibles in Form von Notizen, Schiffsdokumenten und anderen Geheimnissen einzusammeln. Diese geben euch zusätzliche Informationen über den Handlungsort und sein Geheimnis und sollen euch auch dabei unterstützen, den Kahn wieder unbeschadet zu verlassen. Gespickt ist das Spiel ansonsten noch mit allerlei, mehr oder minder fairen, Quicktime Events, einer konstant spannenden Grundatmosphäre und vielen, vielen „Verdammt ich wusste, dass das passiert und erschrecke mich trotzdem!“-Jumpscares. Desweiteren kann man im Verlauf des Spiels schwarz- und weißgerahmte Bilder finden, welche einem Zukunftsvisionen zeigen, die einem bei späteren Entscheidungen helfen sollen. Diese sind quasi das Man Of Medan-Pendant zu den Totems aus Until Dawn.
Anders als das Vorgängerwerk hat The Dark Pictures Anthology – Man of Medan aber auch noch einen Mehrspieler-Modus, der sich in einen 2 Player-Online-Coop und einen lokalen Couch-Coop für zwei bis fünf Spieler*innen unterteilt. Im Filmabend-Modus wird der Controller von Person zu Person weitergereicht, wobei alle verfügbaren Charaktere unter den teilnehmenden Spielern aufgeteilt werden. Jeder ist also für das Schicksal seiner Figur(en) verantwortlich und scheidet folglich mit dieser aus dem Spiel aus, sobald sie stirbt. Obwohl ich das Prinzip dieses Modus interessant finde, kann natürlich immer nur eine Person aktiv spielen. Die restlichen Mitspieler*innen sind in der Zwischenzeit nicht aktiv beteiligt, sondern erst wieder an der Reihe, wenn ihr Charakter erneut die Bildfläche betritt. Je nach Wendung kann dies unter Umständen aber auch mal ein wenig länger dauern.
Das Highlight des Games ist für mich definitiv der Online-Coop für zwei Spieler*innen. Gemeinsam spielt ihr auch hier die gleiche Story wie im Single Player-Modus, jedoch sind hier diesmal die Charaktere nicht festgelegt. In wessen Haut ihr in welchem Abschnitt also steckt, seht ihr erst, wenn es soweit ist. Außerdem gibt es hier keine Wartephasen und das ist es auch, was diesen Modus so cool macht: Beide Spieler*innen sind zur gleichen Zeit aktiv am Spiel beteiligt. Sprich, während einer vielleicht grade die normale Storyline verfolgt, sieht die andere Person das gleiche Szenario aus der Sicht einer anderen Spielfigur oder agiert im selben Zeitfenster an einem anderen Ort. Nachdem ich mit Sophie von Darf ich vorstellen nach 2 Abenden den Online-Multiplayer abgeschlossen hatte, waren wir uns beide einig, dass das Spiel durch diesen Modus noch einmal unfassbar aufgewertet wird.
Technisch gesehen ist Man Of Medan leider schon irgendwie eine Enttäuschung. Nachdem ich direkt am Anfang einen Hänger im Spiel hatte, den ich erstmal als nicht so schlimm empfand, traten während des weiteren Spielverlaufs dann doch immer wieder vermehrt Ruckler und Freezeframes auf. Besonders ärgerlich ist es, wenn sowas während eines Quick Time Events (QTE) passiert und so kam es natürlich, dass aufgrund dessen einer meiner Charaktere kurz vor Schluss das Zeitliche segnete. Insgesamt empfand ich die QTEs als relativ schwierig und schwer zu timen, was während des Spiels schon den Frustfaktor hob, da unter Umständen ein QTE nicht nur über Leben oder Tod entscheidet, sondern eben auch massiv den Spielverlauf beeinflussen kann. Was die Grafik angeht bin ich wahrlich kein Profi und tatsächlich eigentlich eher weniger anspruchsvoll, allerdings war ich hier dann doch stark hin und her gerissen zwischen „Oh wow, ist das cool!“ und „Oh wow, ist das...weird.“. Die Texturen waren meist gestochen scharf und fast fotorealistisch, haben dann aber teilweise lange gebraucht, bis sie geladen waren. Auch das Bewegen der Charaktere fühlt sich teilweise leider sehr schwerfällig an.
"Man Of Medan hat einen angenehmen Gruselfaktor und eine spannende Atmosphäre und ist meiner Meinung nach nicht so knallhart, dass man danach mit dem Licht an schlafen muss. Also, auch wenn ihr ein wenig zarter besaitet seid, aber doch mal Lust auf eine kleine Gruselgeschichte habt, kann ich euch dieses Spiel guten Gewissens ans Herz legen."
Insgesamt ist The Dark Pictures – Man Of Medan ein cooles Spiel mit spannender Atmosphäre und hohem Wiederspielwert. Für diese Review habe ich das Spiel drei mal abgeschlossen und noch immer nicht alles gesehen. Ärgerlich sind die oben erwähnten technischen Probleme, die auch dazu führten, dass ich in einem Run, in dem ich es geschafft habe, dass tatsächlich ALLE Charaktere sterben, das Spiel nicht abschließen konnte. Nach dem Abspann blieb das Spiel jedes mal im schwarzen Ladebildschirm hängen und so habe ich meinen Gamerscore für diesen seltenen Erfolg bis heute nicht erhalten und werde es wohl auch nie. Positiv zu erwähnen ist aber definitiv, dass verschiedene Entscheidungen auch wirklich verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen, manchmal auch erst viel später, als man es erwartet. Das macht das Spiel bis zur letzten Minute spannend. Man Of Medan hat einen angenehmen Gruselfaktor und eine spannende Atmosphäre und ist meiner Meinung nach nicht so knallhart, dass man danach mit dem Licht an schlafen muss. Also, auch wenn ihr ein wenig zarter besaitet seid, aber doch mal Lust auf eine kleine Gruselgeschichte habt, kann ich euch dieses Spiel guten Gewissens ans Herz legen. Man of Medan ist ein guter, wenn auch ausbaufähiger Auftakt der Dark Pictures Anthology und macht Lust auf mehr. Man darf also gespannt sein, was uns Supermassive Games 2020 mit dem zweiten Teil Little Hope bescheren wird.