Von Miggi
Ich weiß ja nicht wie es bei euch so ist, aber in meinem Freundeskreis gilt Silent Hill 2 als eines der wichtigsten Horror-Spiele aller Zeiten. Und auch wenn es für mich persönlich nicht mein Lieblingsteil der Serie ist, kann ich das absolut nachvollziehen bzw. möchte dem Spiel den Status, den es weltweit innehält, auf keinen Fall absprechen. Als das Remake zum Original aus 2001 angekündigt wurde, herrschte in meinem Umfeld nicht nur blinde Vorfreude, sondern auch Sorge bzw. man kann schon sagen Angst. Aber nicht die gute Angst, die man von einem Silent Hill 2 erwartet. Das fing bei der Wahl von Bloober Team als Entwickler-Studio an, steigerte sich beim Blick auf die letzten Jahre von Konami als Publisher und ging über zu genereller Sorge, dass dem Meisterwerk von damals nichts zu 100% gerecht werden könnte. Als nun die ersten Reviews zum Remake veröffentlicht wurden und diese überwiegend positiv waren, schien sich doch alles zum Guten zu wenden. Weil ich selnst aber den direkten Vergleich haben wollte, bevor ich mich nach Jahren wieder in die neblige Stadt begeben würde, habe ich mich dazu entschlossen vorab noch einmal das Original auf der PlayStation 2 anzuschmeißen. Einerseits weil es viel zu lange her war, dass ich das gespielt habe, andererseits weil ich auch immer gern eine Ausrede suche, um meinen Retrotink 4K und die wunderschönen CRT-Filter darauf zu nutzen.
Deshalb wird es hier erstmal eine persönliche Review zum Original geben, bevor ich mich in ein paar Tagen ebenfalls hier ausführlich mit dem Remake befasse. Aber nicht nur weil das die Reihenfolge ist, in der ich die beiden Spiele jetzt selbst gespielt habe, sondern auch, weil ich der Meinung bin, dass das die Reihenfolge ist, in der man generell das Remake angehen sollte. Habt ihr also das Original schon länger nicht mehr gespielt, wäre meine Empfehlung das auf jeden Fall davor zu machen. Habt ihr nicht gerade das Glück eine PlayStation 2 plus Spiel zuhause zu haben, die ihr leicht an euren Fernseher anstecken könnt und wollt - weil ihr natürlich sehr klug seid - nicht auf die (aus den falschen Gründen) gruselige HD Collection für die Xbox 360 und PlayStation 3 zurückgreifen, empfehle ich euch hier mal einen Blick auf die Enhanced Edition am PC zu werfen. Mit ein bisschen Google-Power und der Anleitung auf der Website sollte das denke ich der einfachste Weg für die meisten da draußen sein, das Spiel noch mal in seiner Originalfassung zu erleben.
Lassen wir mal die Handlung außen vor, die ihr entweder sowieso schon lange kennt, oder ich sie euch auf keinen Fall spoilern möchte und konzentrieren uns lieber darauf, ob diese heutzutage überhaupt noch funktioniert. Wirkt die Atmosphäre und die Geschichte noch genau so wie vor über 20 Jahren? Eine Frage, die man zum Glück ganz einfach mit Ja beantworten kann. Die Story, die Charaktere und die komplette Stimmung haben mich auch im Jahr 2024 immer noch genau so stark mitgerissen wie früher und am Ende saß ich wieder einmal mit Tränen in den Augen vor meiner PlayStation 2. Die Geschichte von James und Mary hatte mich wieder von vorne bis hinten gepackt und bewiesen, dass gute Stories einfach zeitlos sind. Dinge wie veraltete Grafik und Gameplay, das vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß sind heutzutage verschwinden da komplett im Hintergrund und tun der Genialität des Titels keinen Abbruch.
Aber auch ins Gameplay mit seinen Quirks hat man sich einigermaßen schnell wieder eingefunden. Klar, die Panzersteuerung von damals ist heutzutage in den meisten Spielen ein Ding der Vergangenheit, aber hat mich bei meinem Replay jetzt auch nicht wirklich gestört. Sobald man sich erst mal wieder dran gewöhnt hat, kann man mit alter Leichtigkeit durch die verschiedenen Gebiete laufen und bleibt nur selten an irgendwelchen Hindernissen - seien es nun Wände oder Lying Figures - hängen. Die verschiedenen Schauplätze sind dabei immer noch furchteinflößend, das Spiel selbst aber auf dem normalen Schwierigkeitsgrad zu keinem Zeitpunkt zu schwer oder irgendwie unfair. Vor allem weil überall in der Stadt genug Munition und Health-Items verstreut sind. Wenn ihr also die Augen offen haltet, solltet ihr zu keinem Zeitpunkt Probleme mit eurer Gesundheit oder euren Waffen haben, vorausgesetzt ihr bewahrt in den Kämpfen Ruhe und lauft nicht wie Rambo durch die Stadt. Nur als kleine Sidenote: die Eisenstange tuts manchmal auch.
Dadurch, dass ich das Spiel schon so lange nicht mehr gespielt habe, hatte ich beim Replay aber nicht nur Spaß an der Atmosphäre, die sowieso zeitlos ist, sondern vor allem mit den Rätseln. Diese finde ich bis heute immer noch wahnsinnig gut gelungen, sie fügen sich perfekt ins Gameplay ein und an der ein oder anderen Stelle musste ich dann doch etwas länger grübeln. Dass ich die damals überhaupt alle gelöst habe, spricht auf jeden Fall für Vergangenheits-Miggi. Kluges Kerlchen. Und nicht nur die Rätsel selbst sind im Original-Spiel unglaublich gut, auch das Pacing stimmt genau. Die einzelnen Gameplay-Elemente wechseln sich so perfekt ab, dass nie zu viel Wiederholung reinkommt, und man nach einer actionreichen Phase entweder wieder mit einer Storypassage in die dunkle Handlung zurückgeholt wird, es einem freisteht sich ausgiebig umzusehen und an den verschlossenen Türen zu rütteln, oder eben sich den Kopf an den Rätseln zu zerbrechen.
Zu dieser Abwechslung tragen aber natürlich auch die gewählten Schauplätze viel bei. Ihr kommt zuerst in der Stadt selbst an und könnt diese, so wirkt es zumindest auf euch als Spieler*in, frei erkunden. Team Silent hat es hier schon 2001 geschafft eine in sich geschlossene Welt zu bauen, die einen durch smartes Leveldesign stets auf den richtigen Pfad führt, ohne das Gefühl zu schaffen, dass man an der Hand genommen wird. So klappert ihr nach und nach Rosewater Park, das Appartment, das Krankenhaus, die Historical Society, das Gefängnis, das Labyrinth und zu guter Letzt das Lakeview Hotel ab und erlebt dabei einerseits eine komplett kohärente und in sich stimmig wirkende Spielwelt, andererseits Abschnitte die für sich völlig unterschiedlich sind und Spieler*innen nie das Gefühl geben das 50. Mal durch den selben Gang zu laufen, weil man das Asset ja schon hatte und hey, lass uns das doch noch mal verwenden. An dieser Stelle sei gesagt - nichts gegen Asset-Flipping. Aber in einem maximal 8-stündigen Spiel das so von seiner Atmosphäre und Spielwelt lebt, würde das dann doch irgendwie auffallen.
Wenn ihr das Original auf der PlayStation 2 spielen solltet und dann natürlich je nachdem wie ihr diese an welchen Bildschirm eurer Wahl angeschlossen habt, ist es natürlich klar, dass wir jetzt nicht darüber reden müssen wie unfassbar krass Silent Hill 2 noch heute aussieht. Das ist logisch. Meine Erfahrung war denke ich aber, neben der Enhanced Edition, die bestmögliche - auf dem Retrotink 4K mit der passenden CRT-Maske habe ich mich selbst wieder etliche Jahre zurückgeschickt und ein Spielerlebnis gehabt, bei dem ich selbst nie dachte: "Man, sieht das jetzt scheiße aus!". Vielleicht, weil ich generell die Optik nicht so sehr ins Gewicht fallen lasse bei älteren Titeln, vielleicht aber auch weil es wirklich nicht so scheiße ausgesehen hat. Oder eine Mischung aus beidem. Bis heute fasziniert mich jedenfalls der Nebel im Spiel und wie dieser Stimmung schafft, einfach nur indem man selbst das Gefühl bekommt, bei jedem neuen Schritt könnte ein Gegner aus dem Dickicht springen. Dass der Soundtrack von Akira Yamaoka unfassbar ist, muss an dieser Stelle schon fast nicht mehr erwähnt werden, aber eigentlich schon: der Soundtrack von Akira Yamaoka ist unfassbar!
"Silent Hill 2 ist 2024 immer noch ein wahnsinnig bedrückendes, beklemmendes und emotionales Videospiel, das mich von vorne bis hinten wieder auf eine wilde Reise mitgenommen hat, die das Spiel bis heute zurecht zu dem Meilenstein macht, der er ist."
Ich weiß, das ist nicht die Silent Hill 2-Review, die ihr jetzt an dieser Stelle erwartet habt, aber es ist die Silent Hill 2-Review die ihr braucht. Die ich brauche. Die ich als notwendig empfinde niederzuschreiben, bevor ich mich an die vom Remake setze, genauso wie ich es wichtig fand, das Original noch einmal zu spielen, bevor ich mich quasi-blind ins neue Spiel stürze. Und was soll ich sagen. Silent Hill 2 ist 2024 immer noch ein wahnsinnig bedrückendes, beklemmendes und emotionales Videospiel, das mich von vorne bis hinten wieder auf eine wilde Reise mitgenommen hat, die das Spiel bis heute zurecht zu dem Meilenstein macht, der er ist. Egal ob ihr nun das Original spielt oder die Enhanced Edition, ihr macht damit absolut nichts falsch, vor allem nicht, wenn ihr vorhabt das Bloober Team-Remake zu spielen. An der Stelle möchte ich euch außerdem auch noch eine kleine Podcast-Empfehlung mitgeben. Benny und Björn von Ink Ribbon Radio haben sich in einer Spezialausgabe ihres Podcasts nämlich mit dem Original beschäftigt, aber nicht einfach nur eine Review gemacht, sondern gefragt, was Silent Hill 2 eigentlich ist. Hört da gerne mal rein. Und keine Sorge, die Review zum Remake kommt natürlich dann auch noch die Tage. Aber ohne das hier wäre das nicht gegangen.