Von Miggi
2011 veröffentlichte id Software unter der Leitung von Tim Willits, bekannt durch seine Arbeit an Quake, den postapokalyptischen First-Person-Shooter Rage. Im damals für Xbox 360, Playstation 3 und PC erschienenen Spiel drohte ein unaufhaltbarer Asteroid die Erde zu zerstören, weshalb eine ausgewählte Gruppe an Menschen in die sogenannten Archen gebracht wurde - quasi hypermoderne Schutzbunker. 106 Jahre nachdem die Erde zerstört wurde, erwacht man als Spieler*in als letzte überlebende Person der eigenen Arche und erfährt in der Außenwelt, dass die Authority, die sich als neue Regierung eingesetzt haben, hinter den Archenbewohner*innen her ist. Die Hauptfigur schließt sich daraufhin dem Widerstand an und das Spiel endet damit, dass alle Archen an der Oberfläche aktiviert werden. Das Spiel wurde überwiegend positiv aufgenommen und Bethesda sah den Erfolg als groß genug an, dass sich ein Sequel lohnen würde. Auf der E3 2018 gab es mit passender musikalischer Unterstüzung von Andrew W.K. dann nach dem ersten Teaser im Mai mehr zum Spiel, das im nun endlich erschienen ist.
Für Rage 2 darf id Software diesmal auf die Unterstützung von niemand geringerem als den Avalanche Studios bauen, auf die man durch ihre Arbeit an Mad Max und der Just Cause-Reihe aufmerksam wurde. Vor allem die Erfahrung des Studios im Bereich Open World und Phsyik im Spiel veranlassten Tim Willits dazu das Entwicklungsstudio mit ins Boot zu holen. Der zweite Teil spielt 30 Jahre nach Ende des Vorgängers und ihr übernehmt die Kontrolle über die Figur Walker - wahlweise männlich oder weiblich. Walker wird gleich zu Beginn Zeuge wie die Ranger, die im Ödland für Ordnung sorgen sollen, inklusive Ziehtante von Martin Cross, dem Anführer der Authority, ausgelöscht werden. Als letzt überlebende Person in einer Ranger-Uniform macht ihr euch also auf den Weg, um Rache zu nehmen und der Authority ein für alle mal den Garaus zu machen. Dabei stürzt ihr euch in eine Welt voller Banditen, Mutanten und anderer Gefahren, in der ihr nur mit Hilfe eurer diversen Waffen, spezieller Fähigkeiten und verrückten Gefährten überleben werdet. Bahnbrechend innovativ oder logisch ist die Grundstory zwar nicht, aber sie bietet genug Nährboden für witzige NPCs und eine Welt, in der ihr viel Spaß haben könnt. Auf ins Ödland!
Euch erwartet diesmal eine große Open World, in die ihr direkt nach dem Intro und einem groben Tutorial entlassen werdet. Bereisen könnt ihr diese zu Fuß oder mit einem fahrbaren Untersatz, der durch die Größe und Gegebenheiten der Welt aber auch zu empfehlen ist - dadurch, dass der Asteroid damals so gut wie alles zerstört hat, macht das Ödland seinem Namen nämlich alle Ehre. Selbst ich, der in Breath of the Wild quasi nie das Pferd benutzt hat und auch in anderen Open World-Spielen lieber umherläuft, als Gefährte zu nutzen, war hier hauptsächlich fahrend unterwegs. Verschiedene Banditenlager, Verstecke, Höhlen und andere Orte findet ihr auch auf vier (oder weniger) Reifen gut genug. Anfangs war ich etwas überrascht, wie "leer" die Welt wirkte, je mehr Zeit ich dann aber im Spiel verbracht habe, umso mehr Sinn hat es gemacht und umso richtiger hat es sich schlussendlich angefühlt. Warum sollte eine Welt, die komplett zerstört wurde und in der es vor Mutanten und anderen Gefahren nur so wimmelt, nun auch plötzlich super belebt sein? Zu tun gibt es außerdem in der offenen Spielwelt immer genug und habt ihr erstmal spätere Bereiche des Spiels entdeckt, bietet sich euch auch genug Abwechslung im Design. Mit der Apex Enginge an Bord, bleiben auch zudem die Ladezeiten, die im ersten Teil noch allzu präsent waren, in Rage 2 zum Glück erspart, wenn ihr durch die Welt reist.
Zu Beginn werden euch auf der Karte nur die Hauptmission, in der ihr 3 Verbündete finden müsst, und 2 Archen markiert, die ihr bereisen könnt. Aber schon auf dem Weg zum nähesten Hauptmissionsziel bin ich über mehrere Orte gestolpert, die ich erkunden konnte und sobald man die erste Stadt erreicht hat, erhält man dort direkt diverse Nebenmissionen, bei denen es sich lohnt, sie zu verfolgen. Aus der Ego-Perspektive öffnet ihr Wege, die von Banditen versperrt wurden wurden wieder auf, helft Mutantenhöhlen zu säubern, beschützt Stadtbewohner vor Bedrohungen in der Wildnis oder verfolgt einfach einen Asteroid, der vor euren Augen ins Ödland gestürzt ist. Trotz karger Ödland-Optik wird das Spiel nicht langweilig und eure Reise durch die Welt in Rage 2 nicht monoton. An jedem relevanten Ort gibt es außerdem diverse Versorgungs- und Arche-Kisten zu finden. Habt ihr alles gefunden, gilt das bestimmte Gebiet als "abgeschlossen" und ihr erhaltet zusätzliche Erfahrungspunkte, die ihr in Fähigkeiten investieren könnt.
Direkt zu Beginn des Spiels erfahrt ihr von eurer toten Ziehtante in Hologrammform nämlich, dass ihr als Walker mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet seid. Einige davon könnt ihr, neben neuer Waffen, in den Archen finden, die quer über die Welt verteilt sind. Andere Fähigkeiten schaltet ihr durch Nanotrit frei, dass ihr von Feinden und in Truhen erhalten könnt. So lernt ihr mit der Zeit immer verrücktere Manöver. Angefangen mit dem einfachen Doppelsprung kann Walker später etwa kurz in der Luft schweben, während ihr zielt. Habt ihr diese Fähigkeit aufgebessert, verlängert sich eure Schwebe-Zeit jedes Mal, wenn ihr einen Feind tötet. Abrunden lässt sich das Manöver dann durch den Ground Pound, der mehr Kraft bekommt je höher ihr gesprungen seid. Hat man hier ein paar Spezialfähigkeiten angesammelt, erkennt man erst das wahre Potenzial des Spiels. Die Veteranen von id Software haben was das schnelle Spielgefühl angeht wieder einmal ganze Arbeit geleistet und die diversen Special Moves gliedern sich nicht nur flüssig in den Spielfluss selbst ein, sondern gehen auch schon nach kurzer Zeit ganz einfach von der Hand.
Im Gegensatz zum Vorgänger, der hauptsächlich in Braun- und Grautönen über den Bildschirm flimmerte, tut sich euch in Rage 2 eine Welt voller Farben und Details auf. Besonders die pinken Akzente - den eigentlich obligatorischen Vergleich zu Far Cry: New Dawn lasse ich jetzt hier einfach mal beseite - machen die Endzeit-Welt schön knallig und verleihen ihr eine Extraportion Charme. Aber auch die Explosionen, die Belichtung und die Schatten glänzen im Spiel mit hoher Qualität und der organische Tag- und Nachtwechsel verleiht der Welt eine glaubwürdigere Note. Die Erfahrungen die das Studio mit Spielen wie Quake oder Doom sammeln konnte, machen sich hier klar bemerkbar, denn die rasante Action aus der Ego-Perspektive ist das klare Glanzstück von Rage 2. Denn all das wäre nichts wert, würde das Spielgefühl nicht stimmen.
Mit flüssigen 60 Frames-per-Second auf Xbox One X und Playstation 4 Pro und konstanten 30 FPS auf den Standard-Konsolen liefert das Spiel eine actionlastige FPS-Erfahrung, wie man es von den Macher*innen erwartet. Einbußen muss man auf den Pro-Konsolen allerdings bei der Auflösung und der Grafik hinnehmen. Im Vergleich zu den Basis-Versionen gibt es diesmal leider keinen Sprung auf 4K und auch Licht, Schatten und anderes sieht bei beiden Varianten in etwa gleich aus. Ich persönlich nehme das aber für konstante 60 Frames gerne in Kauf, denn egal wie groß das Geschehen am Bildschirm ist, das Spiel läuft butterweich. Und seien wir ehrlich - auch in 1080p sieht Rage 2 wunderschön aus. Gleichzeitig ist das Gunplay des Spiels hervorragend und es macht einfach wahnsinnig großen Spaß Mutanten und Banditen Blei ins Gesicht zu pumpen. Selbst bei rasanten Kämpfen verliert ihr hier nie den Überblick, ganz im Gegenteil - kurze Slow-Mo-Einlagen und in pink aufploppende Totenköpfe bei Kopfschüssen machen die Kämpfe nur umso spaßiger und belohnen euch für eure Manöver.
„Rage 2 ist ein verrückter Ritt durch ein knalliges Ödland und für mich mit Seinem flüssigen und rasanten Kampfverlauf einer der besten Solo-Shooter dieser Konsolengeneration.“
Das leider oft vernachlässigte Genre der Single-Player-Ego Shooter erlebt mit Rage 2 das zweite Highlight des Jahres nach Metro Exodus. Euch erwartet ein Shooter-Gefühl, wie es fast nur id Software auf die Konsolen zaubern kann. Die Wurzeln des Studios sind hier klar erkennbar und mit den Avalanche Studios hat man sich für die weite Open World genau den richtige Partner geschnappt, um eine Welt zu erschaffen, die homogen wirkt und euch gleichzeitig genug zu Erkunden bietet, damit euch nicht langweilig wird. Ergänzt wird das alles mit einer ordentlichen Portion Humor und vor allem viel viel verrücktem Content. Vom NPC-Design über Dialoge bis hin zu wirren Datapads, die mir immer wieder ein Lachen entlocken konnten, erwartet euch genau das, was Bethesda im Vorfeld versprochen hatte. Rage 2 ist ein verrückter Ritt durch ein knalliges Ödland und für mich mit seinem flüssigen und rasanten Kampfverlauf einer der besten Solo-Shooter dieser Konsolengeneration.