Von Bea
Need for Speed ist eine der prestigeträchtigsten Rennspiel-Serien seit dem Beginn der Videospielgeschichte. Allerspätestens mit NFS Underground aus 2003 und Teil 2 aus 2004 war eine große Fangemeinde gewonnen, doch an das Feeling dieser beiden Titel konnte nie wirklich angeknüpft werden. Dass Electronic Arts mit NFS 2015 genau das versucht, liegt angesichts des Settings und der Features schon im Vorhinein auf der Hand – unter anderem deswegen freuten sich viele NFSU2-Veteranen auf den neuen Titel wie Kinder auf Weihnachten. Ja, ich war eine von ihnen: mit nostalgischer Wehmütigkeit erinnere ich mich an den OST: Riders on the Storm von den Doors feat. Snoop Dogg und das Black Betty-Cover von Spiderbait. Nicht zu vergessen: die für damalige Verhältnisse unfassbar gute Grafik und Open World. Hach.
Ich war also vielleicht ein kleines bisschen gehyped – und das angesichts der großartigen anderen Neuerscheinungen diesen Herbst. Da fühlt es sich schon fast komisch an, sich auf ein neues NFS zu freuen. Natürlich hab ich deshalb angeboten, dieses Review zu schreiben und hab mir erst mal nichts gedacht, als Miggi sehr bereitwillig zustimmte. Wie auch NFS Underground 1 + 2 spielt der Titel nachts bzw. im Morgengrauen in einer groß angelegten urbanen Umgebung. Richtig Tag wird es nicht – dem Morgengrauen folgt wieder Nacht. Das mag fragwürdig erscheinen, zumal der Wechsel von Tag zu Nacht etwas ziemlich essentielles für Menschen ist und man sich fragt: wozu das Morgengrauen, wenn eh wieder Nacht kommt? Aber ok, kann man als Stilmittel durchgehen lassen.
Betrachtet man das Gameplay von NFS, gibt es im Grunde wenig zu bemängeln. Einzig die eingeblendeten Hinweise, die während dem Fahren den kompletten Screen verdunkeln, wären bestimmt besser zu lösen gewesen, aber die Grafik ist absolut up to date, der Sound der Motoren ist wirklich überzeugend und Steuerung der Fahrzeuge ist weitgehend passabel und leicht zu personalisieren: eher drift oder grip – je nach den Anforderungen der Strecke oder den Vorlieben des Fahrers. Ebenso lässt sich das Erscheinungsbild der Fahrzeuge mit zahlreichen Farben, Effekten, Aufklebern etc. personalisieren. Insgesamt ist das Angebot an Autos eher ein Querschnitt durch alle Geschmäcker und Anforderungen – von einer richtig großen Auswahl kann allerdings im Vergleich zur Konkurrenz wie z.B. Forza nicht die Rede sein.
Für Viele ein großer Haken an der Sache ist die permanente Notwendigkeit einer Internetverbindung. Das Spiel lädt einen in eine Map mit anderen Spielern, die aber bis auf wenige Ausnahmen, die ein bisschen Anstrengend werden können (z.B. nerviges Verfolgen ohne Herausforderungen anzunehmen) eher den Storymissionen hinterherhetzen und einander kaum bis wenig Beachtung schenken. Warum sich für einen Online-Zwang entschieden wurde, ist nicht wirklich klar.
Man könnte es an dieser Stelle gut sein lassen, wären da nicht folgende zwei Punkte: (Achtung: Es folgt subjektives Jammern auf hohem Niveau.) Live-Action-Cutscenes. Für selige Unwissende – das Gameplay wechselt sich quasi mit Cutscenes ab – so weit so normal – aber: diese Cutscenes sind hier Realfilm! Also Schauspieler. So in echt. Nicht animiert. Was eigentlich mit dem Ende der 80er und 90er Computerspielära der Vergangenheit angehören sollte, wird bei NFS im Jahre 2015 wieder ausgegraben.
Hier taucht ein wandelndes Klischee nach dem anderen auf, inkl. einigen Fistbumps, verkehrt herum getragenen Caps und zu vielen #Selfies. Also alles richtig cool, hip und jung. Abgesehen vom fragwürdigen Inhalt: Es stellt sich schlicht und einfach die Frage: Warum? Warum muss einer der größten Spieleentwickler im Jahre 2015 auf Realfilm-Cutscenes zurückgreifen? Die Betonung liegt auf ‚zurück’ – wie ‚zurück in die Vergangenheit’. Und nein, das ist nicht die gute, nostalgische 8-bit-Vergangenheit, sondern eine dunkle Ära der Videospiele, für die wir uns alle irgendwie ein bisschen fremdschämen.
Will man NFS mit NFSU2 vergleichen – was ich zwangsläufig mache, muss man natürlich auch über den Soundtrack reden. Wo NFSU2 mit Größen wie The Doors feat. Snoop Dogg, Queens of the Stone Age, Rise Against, und Xzibit, auftrumpft, hört sich die musikalische Untermalung von NFS aus 2015 größtenteils an wie die Playlist eines 13-Jährigen Youtube-Let’s Players, der in einer Traumwelt aus Mountain Dew, Doritos und 360 No-Scopes lebt. House-Trance-EDM-Dubstep-Assitröten-Musik auf, sagen wir mal, eher anspruchslosem Niveau. So, nun ein Fazit.
"Bist du ein Rennspielliebhaber, der auf abwechslungsreiche Strecken, große Fahrzeugauswahl und insgesamt auf ein realistisches Feeling Wert legt, ist das Feuerwerk aus fragwürdigen Cutscenes, noch fragwürdigerem Techno und viel zu cooler Charaktere wohl eher nichts für dich."
Need for Speed ist eine passable Rennsimulation, die tatsächlich auch Spaß machen kann. Hast du eine gute und permanente Internetverbindung, wirst du hier sicher ne Zeit lang unterhalten – wenn auch unter anderem von (zum Glück nicht allzu vielen) Cutscenes aus der Hölle und Musik aus Mountain Dew-Dorito-Land. Der Anschluss an das Feeling von NFSU ist nicht gelungen. Die Frage, warum EA sich für Realfilm-Cutscenes entschieden hat, bleibt offen. Bist du ein Rennspielliebhaber, der auf abwechslungsreiche Strecken, große Fahrzeugauswahl und insgesamt auf ein realistisches Feeling Wert legt, ist das Feuerwerk aus fragwürdigen Cutscenes, noch fragwürdigerem Techno und viel zu cooler Charaktere wohl eher nichts für dich. Nur zwei von fünf Xzibits von mir. Und es tut mir im Herzen weh. Ich geh jetzt nochmal NFS Underground 2 spielen.