Metaphor: ReFantazio

   Von Miggi

Titelbild zu Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega

Ich bin mir sehr sicher, dass es zum Ende des Jahres vollkommen untergehen wird, wenn wieder alle über ihre "Top 10s", "GOTYs" und "Best diesdas" reden werden: aber Sega und Atlus haben 2024 so sehr abgeliefert, wie vermutlich kein anderer Publisher. Punkt. Nachdem mit Like a Dragon: Infinite Wealth Ende Januar schon eines meiner absoluten Lieblingsspiele dieses Jahr erschien, konnten wir exakt eine Woche darauf in Persona 3 Reload schon in die Dark Hour springen. Dass vor ein paar Wochen noch der DLC Episode Aigis veröffentlicht wurde, lassen wir dabei mal kurz unter den Tisch fallen, da noch nicht einmal ich Zeit hatte, das ausgiebig zu spielen. Alleine das würde schon reichen, für ein starkes Jahres-Lineup, aber hey, warum damit zufrieden sein? Atlus hat zusätzlich nämlich auch noch das grandiose Unicorn Overlord von Vanillaware gepublished und weil das nicht genug war, bekommen wir Ende Oktober noch Sonic X Shadow Generations und Atlus bringt jetzt kurz davor einfach noch eine komplett neue IP an den Start, die nichts mit Persona bzw. Shin Megami Tensei zu tun haben sollte. Dafür gründete SMT3 bzw. Persona 3 bis 5-Director Katsura Hashino im Jahr 2016 das interne Studio Zero und seit 2018 haben wir nun auf Project Re:Fantasy bzw. Metaphor: ReFantazio gewartet.

Und damit gleich mal einer der positivsten Punkte für Neueinsteiger*innen vorneweg: ihr müsst absolut keines der vorangegangen Persona- und/oder Shin Megami Tensei-Spiele gespielt haben, um euch in Metaphor: ReFantazio zurechtzufinden. Die Geschichte, die an manchen Stellen mit der ein oder anderen Überraschung um die Ecke kommt, setzt, genau wie das Studio selbst, an Punkt Null an: ihr reist mit einem noch namenlosen Protagonisten durch das Königreich Euchronia, der versucht einen Fluchzauber zu brechen, der seinen Kindheitsfreund befallen hat. Dieser Kindheitsfreund ist außerdem der totgeglaubte Prinz, aber psst, niemand weiß, dass der noch lebt. In diesem Reich gibt es nicht nur verschiedene Stämme, religiöse und politische Machtkämpfe, verschiedene Arten von Magie, Rassismus, Armut und, als wäre das noch nicht genug, auch noch die Bedrohung durch umherstreifende Monster. Euchronia befindet sich zudem in Aufruhr, nachdem der König getötet wurde, ein riesiger schwebender Stein am Himmel erscheint und daraufhin ein Wettstreit darüber ausbricht, wer dem König nun nachfolgen soll, in den ihr natürlich auch irgendwie mit reingezogen werdet. Kurz gesagt: ein perfektes Fantasy-Szenario voller Intrigen, Twists und einer mysteriösen Story, in der es viel um das Thema Fantasie geht und, die ich euch an dieser Stelle nicht spoilern möchte.

Der Protagonist isst gemeinsam mit Strohl und Hulkenberg in Martira in Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega
Ich, wie ich ganz normal Essen nach der Konsistenz und nicht dem Geschmack bewerte.

In bekannter RPG-Manier tretet ihr eure Reise aber natürlich nicht komplett alleine an. Neben der Fee Gallica, die euch von Anfang an als Navigatorin begleitet und nicht aktiv ins Kampfgeschehen eingreift, trefft ihr gleich zu Beginn der Geschichte auf den Adeligen Leon Strohl und die Ritterin bzw. ehemaliges Mitglied der Köngigsgarde Eiselin Hulkenberg, die sich euch rasch anschließen. Insgesamt könnt ihr am Ende jeweils 3 zusätzliche Personen in eurer Party haben, wie viele Charaktere es insgesamt gibt und wie bzw. wann sich euch diese eventuell anschließen, das findet ihr am besten selbst heraus. Ähnlich wie in der Persona-Reihe könnt ihr zu euren Kamerad*innen, aber auch zu anderen NPCs, soziale Bindungen aufbauen, die euch Boni in und außerhalb der Kämpfe bringen. Jede Bindung hält dabei eine eigene Hintergrund-Geschichte über die jeweiligen Charaktere parat und kann erst nach und nach im Laufe der Geschichte freigeschalten werden.

 

Neben passiven Boni sind diese Beziehungen außerdem an die sogenannten Archetypen geknüpft. Und da müssen wir kurz noch einmal einen Lore-Schritt zurück machen. Eigentlich zaubern die Leute in Euchronia nämlich nur mithilfe von Zündern, die durch Magla aktiviert werden, also der Magiekraft, die das Land selbst ausströmt. Ihr und eure Truppe könnt hingegen über eure Magie frei verfügen und diese durch die Archetypen aktivieren, die euch unabhängig von diesen Zündern machen. Insgesamt gibt es im Spiel dabei über 40 verschiedene und ihr könnt sie euch ungefähr vorstellen wie ein klassisches Job-System aus anderen Rollenspielen. Je nachdem welchen Archetyp ihr einem Charakter zuweist, kann dieser verschiedene Zauber und Aktionen ausführen, bekommt Boni auf bestimmte Werte wie Angriff, Agilität oder Magie und gleichzeitig Stärken bzw. Schwächen gegenüber bestimmten Elementar-Zaubern. Diese orientieren sich dabei an die bekannten Typen aus der Shin Megami Tensei-Reihe: Feuer, Eis, Blitz, Wind, Licht und Dunkelheit bzw. Schnitt-, Stich- und Schlag-Schaden.

Eine Auswahl der verschiedenen Archetypen zu Spielbeginn in Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega
Was für ein Archetyp bist du? Du kannst so viele Dinge tun!

Die Kämpfe finden in Metaphor: ReFantazio rundenbasiert statt, die Runden können dabei aber durch das bekannte Press Turn-System auch verkürzt bzw. verlängert werden. Landet ihr einen kritischen Treffer bzw. schafft es eine Schwäche eures Gegenübers auszunutzen bekommt ihr einen Extra-Move für einen eurer Charaktere. Das gleiche gilt aber natürlich auch für eure Gegner*innen, weshalb ihr in Kämpfen immer achtsam sein solltet und es auch Sinn macht Party-Mitglieder teilweise auszuwechseln oder auch blocken statt angreifen zu lassen. Denn der Schwierigkeitsgrad ist hier im Normal-Modus auf jeden Fall schon nicht ohne und eure Schwächen werden in den Kämpfen von der CPU teilweise gnadenlos ausgenutzt. Das geht soweit, dass bestimmte Gegnertypen auf einzelne Archetypen reagieren und in Rage verfallen, wenn z.B. eine Zauberklasse am Kampf teilnimmt. Bevor ihr also in einer der Missionen in einen Dungeon aufbrecht, macht es immer Sinn eure Party gut durchzuplanen und auf alle Eventualitäten gefasst zu sein. Dabei können euch auch Personen in Tavernen helfen, die euch gegen Bezahlung Informationen zu Aufgaben verkaufen.

 

Die Story-Missionen sind im Spiel dabei immer an ein bestimmtes Datum geknüpft, das ihr im Auge behalten müsst. Zu Beginn jeder Mission gibt euch das Spiel hier jeweils einen Hinweis, bis wann ihr eure Aufgabe erfüllt haben sollt und in der rechten Bildschirmhälfte erinnert euch ein Timer daran, solange ihr euch noch in einer der Städte aufhaltet. In diesen Städten könnt ihr euch entweder in Waffen- und Rüstungsläden neue Ausrüstung kaufen, Zeit mit euren Freund*innen verbringen, optionale Nebenmissionen annehmen oder andere Gelegenheiten nutzen, um die Zeit verstreichen zu lassen. Wie in Persona vergeht dabei pro Aktion die Zeit. Geht ihr also tagsüber zum Kämpfen in einen Dungeon, fallt ihr abends sofort müde ins Bett und müsst am nächsten Tag weitermachen mit euren Plänen. Trefft ihr euch tagsüber aber z.B. mit Hulkenberg, habt ihr abends noch eine weitere Aktion frei, wie z.B. eine der 5 königlichen Tugenden aufzubessern, nämlich Mut, Wissen, Toleranz, Eloquenz und Vorstellungskraft. Diese braucht ihr im weiteren Verlauf wiederum, um eure Beziehungen weiter aufzuleveln. Zeitmanagement ist also ein wichtiger Faktor, wenn ihr alles aus der Geschichte herausholen wollt.

Der Protagonist wäscht mit Gallica und Strohl gemeinsam Wäsche in Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega
Ich wünschte Wäschewaschen hätte auf mich auch so einen positiven Effekt.

Seid ihr in einen der storyrelevanten oder optionalen Dungeons gereist, könnt ihr diesen frei erkunden und zwar meistens ganz ohne Zeitlimit, solange ihr wollt. Ihr lauft in der Third Person-Perspektive durch das Gebiet und seht alle Gegner in der Welt bzw. auf eurer Minimap. Zufallskämpfe gibt es also in Metaphor nicht. An die Monster könnt ihr euch dabei anschleichen und den Kampf auf verschiedene Arten initiieren. Entweder ihr werdet selbst von einer Attacke im Dungeon getroffen, dann startet der Kampf und der Erstschlag geht euch direkt verloren. Mit einem einfachen Tastendruck springt ihr in den Kampfmodus und habt den ersten Zug, oder ihr trefft die Gegner*innen selbst mit einem Schlag und könnt ihnen so direkt zu Beginn des Kampfes einen Teil ihrer Gesundheit abziehen und sie gleichzeitig noch betäuben, also quasi einen Bonus-Zug bekommen, wenn ihr es klug anstellt. Habt ihr außerdem einen Level erreicht, der einiges über dem eures Gegenübers liegt, werden die Kämpfe erst gar nicht gestartet, sondern Gegner*innen direkt auf der Map von eurem Schlag besiegt und ihr bekommt eure Erfahrungspunkte ohne rundenbasierten Kampf zugesprochen.

 

Das Kampfsystem bzw. Dungeon Crawling hat vor allem durch diese Funktionen wahnsinnig viel Spaß gemacht und sich nicht wie in anderen Spielen unnötig langwierig angefühlt. Ich habe hier teilweise ganz bewusst die besonders harten Nebenmissionen angenommen und auch solange trainiert, bis ich diese geschafft habe, einfach weil mir einerseits das Kampfsystem, aber auch diese Quality of Life-Funktionen so zugesagt haben. Das rundenbasierte Kampfsystem der Shin Megami Tensei- bzw. Persona-Reihe, in dem man Schwächen ausnutzen kann, um mehr Züge zu generieren, sagt mir sowieso immer schon zu. Dass man in Metaphor: ReFantazio sogar noch Bonuserfahrung und mehr Geld bekommt, wenn man einen Kampf ohne Schaden zu nehmen schafft, macht es umso befriedigender. Dass man dann aber auch noch unnötigen Kämpfen aus dem Weg gehen, ohne aber auf die wertvollen Erfahrungspunkte und das Geld verzichten zu müssen, macht es in meinen Augen zur perfekten RPG-Erfahrung. Und da soll noch mal jemand sagen niemand möchte heutzutage mehr rundenbasiertes Kampfsystem.

Der Protagonist greift mit dem Seeker einen Gargoyle an in Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega
Nimm das, du dummer Gargoylye!

Und obwohl ich jetzt schon viele Punkte genannt habe, die das Spiel für mich zu etwas ganz besonderem machen, gibt es noch eine Sache, die Atlus einfach drauf hat, wie kein zweiter. Zusammengefasst könnte man es "Optik" nennen, da fällt aber so viel verschiedenes rein, dass ich es hier gerne etwas aufdröseln möchte. Zum einen sind die Character- und Monster-Designs wahnsinnig gut geworden und wieder einmal richtig kreativ. Man hat sich dabei nicht an bekannten Designs aus dem SMT-Universum bedient, sondern komplett neue Figuren erschaffen und seien es nun die verschiedenen Stämme wie Elda, Eugief oder Roussainte, oder aber auch die Designs der Monster - alles hat Wiedererkennungswert und wirkt nicht wie eine undurchdachte Kopie aus irgendeinem anderen Fantasy-Universum. Wichtige Story-Sequenzen werden im Spiel jeweils als komplette Anime-Sequenzen inszeniert und auch sonst sind Charakter-Bilder und andere Illustration verdammt schön anzusehen.

 

Natürlich muss ich an dieser Stelle auch das Menü bzw. das komplette User Interface in Metaphor: ReFantazio erwähnen. Klar, man ist das ja mittlerweile fast schon gewohnt von Atlus-Spielen wie Persona, dass sich die Artists hier komplett austoben und jeder Menüpunkt unterlegt ist mit wunderschönen Assets und man überall durchdachte Designs aus einem Guss findet. Wo man aber bei Persona noch sehr viel mit einzelnen Akzent-Farben und eher moderner Ästethik gespielt hat, geht das Design-Team hier in eine neue Richtung, die in meinen Augen alles noch einmal auf die nächste Stufe hebt. Das ganze Spiel ist wie in Aquarell-Farbe getunkt, nimmt sich dem Fantasy-Thema perfekt an und jeder Menüpunkt wird wie ein eigenes Kunstwerk präsentiert. Dazu kommt ein Schrift- und Menü-Design, das mich persönlich auf allen Ebenen abgeholt hat und das sich optisch von seiner besten Seite präsentiert. Dass Atlus das kann wusste man ja schon vorher, aber ich finde hier haben sie sich wirklich noch einmal selbst übertroffen.

Der Protagonist steht in der Stadt Grand Trad in Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega
Egal wie lange ich gespielt habe, die Welt und das User Interface wurden einfach nicht langweilig.

Das Spiel ist dabei in japanischer und englischer Synchro verfügbar, der Text kann aber auch in Deutsch oder anderen Sprachen angezeigt werden. Ich selbst habe das Spiel mit japanischer Sprachausgabe gespielt und war begeistert von der Besetzung, habe mir zu Testzwecken aber auch die englische Version angehört und finde auch die richtig gelungen. Ihr könnt also weder mit der einen noch der anderen viel falsch machen, mich persönlich hat aber die japanische Fassung noch ein bisschen mehr abgeholt. Besonders erwähnenswert dabei: ihr spielt diesmal keinen stummen Protagonisten! Auch der Soundtrack des Spiels ist gewohnt sehr gut und perfekt abgestimmt auf das Fantasy-Setting. Technisch läuft Metaphor großteils flüssig und ich habe in meinem Playthrough keine schlimmen Probleme gehabt, bis auf einen kurzen gröberen Einbruch der Framerate in einem späten Dungeon, wo aber auch wirklich sehr viel auf einmal am Bildschirm passiert ist. Sonst bin ich komplett ohne Abstürze, technische Issues oder andere Bugs und Glitches durch die gesamte Spielzeit gekommen.

"Metaphor: ReFantazio ist ein rundum gelungenes Fantasy-RPG in einer Welt voller Intrigen, interessanten Charakteren und einer spannenden Handlung, dazu noch einem richtig guten, rundenbasierten Kampfsystem und obendrauf der besonderen Prise Atlus-Magic im Bereich des Art Designs."

Seit ich in die Welt der Atlus-RPGs eingetaucht bin, bin ich großer Fan des japanischen Publishers bzw. Studios und habe mich nach Persona 3 Reload und Shin Megami Tensei V wahnsinnig auf die neue IP gefreut, die pünktlich zum 35. Jubiläum erscheint. Meine Erwartungen waren definitiv hoch und meine Anspiel-Session auf der gamescom hat mich nur noch heißer auf das Spiel gemacht. Am Ende habe ich eine wunderschöne Reise durch das Königreich Euchronia erlebt, die mich teilweise dazu gebracht hat vor Begeisterung meinen Fernseher anzubrüllen, mit meiner Gang sowohl positiv als auch negativ mitzufühlen und von einer mitreißenden Story ca. 65 Stunden gut unterhalten zu werden. Metaphor: ReFantazio ist mehr und besser, als ich es mir erwartet und erhofft habe und für mich absolut eines der besten RPGs, die ich dieses Jahr und auch die Jahre davor gespielt habe. Das Spielt bedient sich an Ideen aus Persona und SMT, ohne sie 1:1 zu kopieren und baut diese sinnvoll ins Spielgeschehen ein. Es ist für mich das, was ich mir von z.B. einem Final Fantasy schon lange wieder gewünscht habe: ein rundum gelungenes Fantasy-RPG in einer Welt voller Intrigen, interessanten Charakteren und einer spannenden Handlung, dazu noch einem richtig guten, rundenbasierten Kampfsystem und obendrauf der besonderen Prise Atlus-Magic im Bereich des Art Designs. Ich hoffe, dass das nicht der letzte Ausflug nach Euchronia bleiben wird, denn hands down - diese IP ist nicht nur ein gelungenes Eigengeschenk zum Firmenjubiläum, sondern auch für alle RPG-Fans da draußen. Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich die kostenlose Prolog-Demo des Spiels herunterladen, die euch nicht nur ungefähr 5 Stunden des Spiels testen lässt, sonder deren Progress ihr auch direkt mit ins Hauptspiel nehmen könnt.

Wertung zu Metaphor: ReFantazio von Studio Zero, Atlus und Sega
5 von 5 Gallicas.