Von Miggi
Donnerstag, der 22.08.2019. Ich bin in Köln, es ist gamescom 2019. So lange bin ich noch nicht wach, komme aber gerade schon aus einem Termin und bin auch schon wieder auf dem Weg zum nächsten. Während ich an Menschen vorbeilaufe, sehe ich hinten an der Wand meinen Kumpel Phil von den Sofa Samurais sitzen, der mir schon von der Entfernung zuwinkt. "Die fünf Minuten hab ich dann doch", denke ich und laufe kurz zu ihm. Ich wusste noch nicht, dass dieser Moment mein Leben verändern würde. Mit großen, leuchtenden Augen schaut Phil mich an und erzählt mir, dass ich einen großen Fehler gemacht habe. Denn ich hatte im Vorfeld der Messe keinen Termin für das Haifisch-Action-RPG Maneater vereinbart. Irgendwie habe ich bei der Kurzbeschreibung eher etwas in Richtung Goat Simulator oder so erwartet und das Spiel in meine "keine Zeit dafür"-Schublade gelgt. Der Terminplan war sowieso schon eng gestrickt. Wie falsch ich liegen sollte, habe ich an diesem Tag durch Phil, vielen weiteren danach durch Trailer und vor allem zu Release des Spiels festgestellt. Oh Vergangenheits-Miggi, das war nix.
Maneater ist eine knallharte Rache-Story. Im Tutorial schlüpft ihr in die Schuppen einer ausgewachsenen Hai-Dame, schwimmt ein bisschen durch's Meer, fresst ein paar Urlauber*innen, zerstört ein, zwei Boote. It's a Hai Knock-Life. Dem Jäger Scaly Pete, der eigentlich Pierre LeBlanc heißt, wird so aber auf euch Aufmerksam und er macht sich im Zuge seiner Online-Show, nach der auch das Spiel benannt wurde, auf den Weg zu euch. Blöderweise habt ihr nämlich seinen Vater auf dem Gewissen. Upsi. Pete schnappt Frau Hai letztendlich auch, schlitzt ihr auf dem Boot direkt den Bauch auf und findet darin ein kleines Hai-Baby. Und weil er ein rachsüchtiger Kerl ist, will er dieses erst mal aufwachsen lassen, um es dann später "richtig" zu jagen. Als er den Hai an der Rückenflosse mit einem Schnitt markiert, beißt ihm der Kleine als Abschiedsgeschenk noch schnell die rechte Hand ab, bevor er in den Tiefen des Wassers verschwindet.
Genau da setzt ihr wieder ein und eure richtige Reise beginnt. Im sumpfigen Startgebiet, dem Fawtick Bayou, könnt ihr direkt drauf los schwimmen und euch den Bauch mit kleinen Fischen, Schildkröten und anderen Lebewesen vollschlagen, die euch neben Erfahrungspunkten jeweils eine von vier Ressourcen bringen - Fett, Proteine, Mineralstoffe und Mutagen X. Damit könnt ihr euch in einer Höhle, die als Hub für das jeweilige Gebiet dient, in guter alter Action-RPG-Manier neue Fähigkeiten und Verstärkungen gönnen und bei bestimmten Level-Grenzen wachst ihr sogar, bis ihr ein riesiger Megalodon werdet. Die Verstärkungen werdet ihr übrigens auch brauchen, denn oh boy, bin ich erst mal gegen Wände geschwommen. Direkt im Sumpf heimisch sind nämlich neben dem Kleingetier auch schon Krokodile, um die ihr erst mal einen Bogen machen solltet, wenn ihr nicht genug gelevelt habt. Anders als ich in meinem Übermut. Zum Glück kriegt ihr aber auch Aufgaben, die euch mit Erfahrung und Ressourcen belohnen und gleichzeitig die Story vorantreiben.
Die Aufgaben sind dabei immer in bestimmte Gruppen unterteilt: es gibt Population Control-, Human-Revenge und Jagd-Missionen und pro Gebiet jeweils einen besonderen Apex Predator, der erscheint, wenn ihr die restlichen Missionen erfüllt habt. Verfolgt ihr die Population Control-Quests müsst ihr jeweils eine bestimmte Anzahl kleinerer Lebewesen töten, die aber so gut wie immer von gefährlicheren Tieren beschützt werden. Entweder seid ihr also besonders schnell und weicht den Großen aus, oder ihr kümmert euch erst mal um die, bevor ihr euch an die eigentliche Aufgabe macht. Für die Human Revenge-Quests müsst ihr - Überraschung - eine bestimmte Anzahl einer Menschengruppe futtern und in den Jagd-Missionen stellt ihr euch aggressiven Raubfischen. Je nach Gebiet werden eure Ziele, genau wie ihr, aber auch mehr und stärker. Zwischendurch gibt es dann immer kleine Updates von Scaly Pete, seinem Sohn Kyle und seiner Show.
Neben den Hauptmissionen kann man die Zeit in der Open World von Maneater aber auch anders totbeißen. In allen Gebieten versteckt findet ihr Nummernschilder, die in der Luft schweben, Kisten mit allerhand nützlichen Ressourcen oder auch bestimmte "Wahrzeichen". Besonders letzteres habe ich unglaublich gerne gesucht, denn die Wahrzeichen sind lustige Easter Eggs, die meistens (oder immer und ich kannte nicht alle) an bekannte Filme, Serien oder Spiele angelehnt sind. So findet ihr zum Beispiel einen Badewannenverschluss am Boden, die Titanic inklusive Skeletten am Bug und viele weitere kleine Witze, die mir mehr als nur einmal ein Lachen entlockt haben. Die Gebiete nach allen Collectibles abzusuchen geht zum Glück auch recht flott und so sind die 100% hier nicht so unerreichbar, wie sie es in vielen vielen anderen Open World-Titeln leider oft sind. Ihr müsst aber auch aufpassen, was ihr macht. Was es nämlich auch gibt, sind spezielle Bösewichte, die ihr mit euren Taten auf den Plan ruft.
Habt ihr genug Aufsehen erregt, was nur eine schöne Umschreibung für "genug Menschen gegessen" ist, füllt sich ähnlich wie in GTA eine Fahndungsleiste. Sobald diese voll ist, erscheinen Feinde, die euch solange jagen bis entweder ihr oder sie das Zeitliche segnen. Oder ihr abhaut und euch gut genug versteckt. Ist die Leiste ganz voll, erscheint ein besonders starker Feind, mit dem sich euer Infamy-Rang erhöht, sobald ihr den Kampf gewonnen habt. Insgesamt gibt es davon 10 Stück. Schafft ihr alle erhaltet ihr eine besondere "Rüstung", wie auch bei den anderen Aufgaben. So sammelt ihr für euren Hai 3 spezielle Sets: Knochen, Schatten und Elektro, die euch zusätzliche Buffs geben, wie einen Gift-Angriff oder besonders hohe Abwehr. Alle 3 sind in einzelne Teile wie die Schwanzflosse oder das Gebiss unterteilt, die ihr wiederum einzeln verbessern könnt. Zusätzlich zu den Buffs verändert ihr damit auch das Aussehen des Hais und habt am Ende eine riesige, furchteinflößende Killermaschine.
Wie es Haie nunmal so tun, erkundet ihr die Welt zum größten Teil im Wasser. Denkt man zumindest. Dass der Hai aber auch aus dem Wasser springen und sogar übers Land hüpfen kann, damit hat niemand gerechnet. Vor allem nicht die kreischend weglaufenden Bade-Tourist*innen. Schwimmen, Springen, Angreifen und Ausweichen ist mir Anfangs noch etwas schwer gefallen. Man muss sich erst mal damit zurecht finden, dass der Hai sich im Wasser natürlich etwas träge steuert und man nicht die hundertprozentige Bewegungsfreiheit, wie eine Figur am Land hat. Was Sinn ergibt. Aber vor allem das erste Gebiet hat mir noch einige Schwierigkeiten bereitet. Sobald man aber gelernt hat, wie man gekonnt feindlichen Attacken ausweicht, die Gegner nach und nach abfrühstückt und hohe Luftsprünge vom Stapel lässt, macht das Spiel wahnsinnig Spaß. Und auch sonst kann man nicht viel bemängeln: die Gebiete sind schön abwechslungsreich gestaltet, alles sieht gut aus, nur die Kamera ist ab und zu ein wenig hakelig.
"Maneater ist der Videospiel gewordene Traum aller Fans von Sharknado und anderen Hai-Medien."
Maneater ist der Videospiel gewordene Traum aller Fans von Sharknado und anderen Hai-Medien. Und das ist gut so. Das Spiel nimmt sich selbst nie zu ernst, erzählt zwischendrin trotzdem eine unterhaltsame Rache-Story, die nicht fehl am Platz wirkt und kommt mit Meer Tiefe (Rechtschreibfehler intended) als ich es mir jemals gedacht hätte. Deshalb sollten nicht nur Trash-Movie-Fans einen Blick riskieren, denn auch trotz der etwas frickeligen Steuerung und Kamera, die man einigermaßen schnell intus hat, macht Maneater einfach Spaß und bietet vor allem etwas Neues. Das Spiel schafft es Open World-, Action RPG- und Tier Simulations-Elemente unter einen Hut zu bringen, bleibt dabei trotz kleiner Macken stets auf einem hohen Level und verpackt das ganze mit einer ordentlichen Portion (absurdem) Humor. Für mich ist Maneater nach der anfänglichen Unwissenheit genau das geworden, was ich mir gewünscht habe.