Lost Records: Bloom

   Von Yvonne

Titelbild zu Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal

They did it again! Mit dem ersten von zwei Tapes von Lost Records: Bloom & Rage liefert uns das Team von Don't Nod einmal mehr ein traumhaftes Narrative Adventure, welches die Spieler*innen in eine faszinierende Welt voller Geheimnisse und Gefühle entführt. Die angenehme Mischung aus Erkundung, Rätselei und Erzählung, die sowohl neue als auch alte Genre-Fans anspricht, kommt diesmal im nostalgischen 90er-Jahre Gewand daher und geizt nicht mit entsprechenden Referenzen, welche die Millennial-Herzen höher schlagen lassen. In Tape 1 von Lost Records: Bloom & Rage liegt der Fokus auf Swann, einer nerdy Teenagerin mit einer Leidenschaft fürs Filmen. Kurz vor ihrem Umzug nach Kanada im Sommer 1995 lernt sie Kat, Nora und Autumn kennen und schließt mit ihnen eine Freundschaft, die sich nach „für immer“ anfühlt.

In einer perfekten Symbiose aus Coming-of-Age-Drama und Mystery erleben wir mit den Mädchen den Sommer ihres Lebens, die vielleicht erste (queere) Verliebtheit und das Streben nach dem *Girlhood* Feeling. Doch fast forward: 27 Jahre später finden wir uns mit einer jetzt erwachsenen Swann in einer ramschigen Kneipe in ihrer alten Heimat Velvet Cove wieder, in der wir zusammen mit den anderen erwachsenen Frauen der Vergangenheit und dem Geheimnis des Sommers 1995 auf den Grund gehen wollen. Während sich die Frauen nach 27 Jahren ohne Kontakt immer wieder in teils glücklichen, teils weniger glücklichen Erinnerungen verlieren und das Erlebte rekonstruieren, wird klar: Der Sommer 1995 birgt ein Geheimnis. Was dieses Geheimnis ist und wieso ausgerechnet Autumn 27 Jahre später ein Paket dabei hat, welches an die vier einstigen Freundinnen adressiert ist, gilt es hier herauszufinden.

Ein niedliches Motten Plüschtier in Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal
All Hail Chibi Mothman!

Wie alle Titel im Stil von Life Is Strange lebt auch Lost Records: Bloom & Rage von der emotionalen Erzählstruktur und der Verbindung, welche man durch diese zu den Charakteren aufbaut. Da der Fokus im ersten Teil also auf der Charakterbindung liegt, nimmt sich das Spiel dafür auch ordentlich Zeit, was vielleicht den Geduldsfaden der ein oder anderen Spieler*in strapazieren könnte. Zwar ist es auch möglich gefühlt fast jeden Gegenstand in Griffweite zur Hand zu nehmen und zu untersuchen, vieles ist jedoch lediglich zum Anschauen und nicht zum weiteren Interagieren gedacht. Um zwischendurch die Dialoglastigkeit etwas aufzubrechen, gibt es neben den vielen liebevoll-nostalgischen Details noch den Camcorder-Modus als neue Mechanik, welche aber ebenfalls spielerisch einen Zweck erfüllt.

 

Wann immer man mag, kann man die Videokamera auswählen und die Umgebung filmen. Bestimmte Motive sind dabei markiert und schreien förmlich danach, gefilmt zu werden. Sie stellen diesmal die Collectibles dar. In einem extra Menü können diese Aufnahmen dann beliebig in ihrer Reihenfolge verändert oder ausgetauscht werden, um so die Video Tagebücher ganz nach unserem Geschmack zu gestalten und kleine, zum Thema passende, Erzählungen und Hintergrundinfos zu erhalten. Während Lost Records: Bloom & Rage also geschickt zwischen Gegenwart und Vergangenheit balanciert und recht langsam die Ereignisse rund um das Mysteriums des Sommers '95 erzählt, nimmt das Game dann zum Ende hin doch noch mal deutlich Fahrt auf und endet in einem Cliffhanger, der mich den Release der zweiten Episode im April herbeisehnen lässt.

Ein Wasserturm mit Geweih in Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal
Velvet Cove - wo sogar der Wasserturm ein Geweih hat.

Für Fans von wunderschön gestalteten Spielen mit viel Herz und Erkundungsdrang ist Lost Records: Bloom & Rage definitiv einen Blick wert. Die Kombination aus emotionaler Tiefe und traumhaften Visuals, sowie einem wieder mal extrem guten Soundtrack, macht es zu einem ganz besonderen Spielerlebnis. Neben all der den Blick verklärenden Coming-of-Age Romantik muss man allerdings auch zugeben, dass Lost Records: Bloom & Rage das Rad des Narrative Adventures jetzt nicht neu erfunden hat. Erkennt man doch sehr stark die Essenz von Life Is Strange in dem Neuwerk, muss sich das Spiel im Direktvergleich zwar nicht verstecken, kommt aber an die Geschichte rund um Max Caulfield und Arcadia Bay (bis jetzt!) nicht heran. Unbedingt positiv zu bemerken ist auf jeden Fall noch die realistische Darstellung von Körpern, sprich: Es werden verschiedene Körperformen, Hautunreinheiten ect. abgebildet. Außerdem wird eine grob umrissene Content-Warnung am Anfang des Spiels bzgl. unterschiedlicher Themen gegeben, welche detaillierter auf der Website von Don't Nod nachgelesen werden kann. Ich halte dies für eine super Lösung, um die Gratwanderung zwischen wichtigen und benötigen Content-Warnungen, aber auch der Gefahr versehentlich Spieler*innen zu spoilern zu meistern.

"Für Fans von wunderschön gestalteten Spielen mit viel Herz und Erkundungsdrang ist Lost Records: Bloom & Rage definitiv einen Blick wert. Die Kombination aus emotionaler Tiefe und traumhaften Visuals, sowie einem wieder mal extrem guten Soundtrack, macht es zu einem ganz besonderen Spielerlebnis."

Am Ende lässt Lost Records: Bloom & Rage uns dann doch noch mit einigen offenen Fragen zurück. Zum einen natürlich: Welche Auswirkungen haben meine Dialogentscheidungen? Viele der getroffenen Entscheidungen haben sich nämlich bisher nicht direkt spürbar auf den Spielverlauf ausgewirkt. Zum anderen: Was hat es mit den Erinnerungen auf sich und warum wirkt alles dort so verdammt perfekt? Wie sieht Adult Swann aus? Schließlich spielt man in der Gegenwart in der First-Person Perspektive und nicht Third Person, wie in den 1995 Sequenzen. Und natürlich die wichtigste aller Fragen: WAS IST IN DER VERDAMMTEN BOX???

Wertung zu Lost Records: Bloom & Rage von DON'T NOD Montréal
(vorläufige) 3,5 von 5 Videotapes – Wir sprechen uns im April noch mal!!!