Von Miggi
Ich bin ehrlich - bis vor ein paar Monaten hatte ich noch nie von LIVE A LIVE gehört, gelesen oder sonst irgendetwas dazu gesehen. Und das, obwohl ich eigentlich sehr großer Fan bin der Super Nintendo-Ära von damals noch Square bzw. heute Square Enix. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass das doch selbstverständlich sei, weil das Spiel nur in Japan erschien, aber irgendeine Fan-Made Übersetzung gab oder gibt es bestimmt vom Original und bei anderen Titeln wie Chrono Trigger wäre das auch keine Entschuldigung. Das Einzige was aber bis heute gefehlt hat war ein offizieller Port oder ein Remake des 1994-Titels, welches Nintendo aber dann im Zuge ihrer Frühlings-Direct im Februar 2022 angekündigt hatten. Denn nachdem Director Takashi Tokita so begeistert war vom HD-2D-Look, den Octopath Traveller in den Ring geworfen hatte, machte sich dieser an die Arbeit, um den Titel in aufgehübschter Form auf die Nintendo Switch zu bringen.
Die Geschichte des Spiels lässt sich in LIVE A LIVE nur recht schwer runterbrechen, da ihr nicht eine zusammenhängende Story spielt, sondern 7 eigenstädnige Kapitel. Jeweils mit eigenen Protagonist*innen und noch wichtiger - in eigenen Epochen. Im Hauptmenü könnt ihr dabei komplett frei entscheiden, mit welchem Kapitel bzw. welcher Figur ihr starten möchtet. Das hat im weiteren Verlauf auch keinen Einfluss darauf, wie ihr das Spiel erlebt oder was im weiteren Verlauf passiert. Zur Auswahl habt ihr dann etwa den jungen Pogo in der Steinzeit, Shinobi Oboromaru im Japan der Edo-Zeit, Martial Arts-Kämpfer Masaru Takahara in der Gegenwart oder den kleinen Roboter Cube in der fernen Zukunft. Ob diese 7 Geschichten am Ende irgendwie zusammenhängen, müsst ihr selbst herausfinden. Da die einzelnen Parts alle relativ kurz sind und allesamt sehr unterhaltsam sind, möchte ich an dieser Stelle keine davon großartig spoilern.
Die verschiedenen Szenarien unterscheiden sich aber nicht nur durch die Figuren, die man spielt und die Epoche, sondern auch im Gameplay. Obwohl LIVE A LIVE im Kern ein rundenbasiertes RPG ist, in dem ihr in den Kämpfen eine Auswahl an verschiedenen Attacken zur Auswahl habt und XP sammelt, mit denen euer Charakter aufleveln kann, hat jedes Kapitel eigene Kniffe, um sich von den anderen zu unterscheiden. Meistens sind es Spezialfähigkeiten eurer Protagonist*innen selbst, wie die feine Nase von Pogo, mit der ihr versteckte Items und Feinde aufspüren oder den psychischen Fähigkeiten von Akira, mit denen ihr Gedanken lesen könnt. An den jeweiligen Spezialfähigkeiten orientiert sich dann auch das Gameplay des Kapitels. Mit Oboromaru infiltriert ihr z.B. ein Schloss und könnt euch per Tastendruck schnell tarnen, damit euch die Wachen nicht entdecken und Alarm schlagen oder euch angreifen.
Gekämpft wird im Spiel rundenbasiert und auf einem 7 x 7 Kacheln großen Feld, auf dem ihr euch frei bewegen könnt. Alle, die am Kampf teilnehmen, haben dabei eine Aktionsleiste, die sich mit Dauer des Kampfes langsam füllt. Wenn ihr euch also ein Feld bewegt, bekommen eure Gegner, aber auch eure Verbündeten, einen Teil ihrer Energie und wenn die Leiste einer Figur voll ist, kann diese angreifen. Dabei wählt ihr aus verschiedenen Attacken aus, die entweder sofort ausgeführt werden können, oder nochmals eine Weile aufgeladen werden müssen. Mana oder ähnliches gibt es dabei gar nicht. Jede Attacke kann unlimitiert eingesetzt werden, solange ihr genug Energie in eurer Aktionsleiste habt oder in Kauf nehmt, dass eure Figur die Attacke erst mal aufladen muss. Eine für mich sehr willkommene Abwechslung war außerdem, dass sich eure Party nach jedem Kampf automatisch heilt. So spart man sich zwischen den Kämpfen einen Haufen Heilungsitems oder -zauber.
Grob kann man in den Kämpfen zwischen physischen und magischen Attacken unterscheiden, wie es sich für ein gutes RPG gehört gibt es aber auch in LIVE A LIVE viel mehr als das. Ihr habt die Möglichkeit Attacken auf einer größeren Fläche oder fokussiert auf einen Punkt auszuführen und könnt Gegner vergiften, paralysieren oder auch einschläfern. Außerdem richten manche Attacken Flächenschaden an - ihr könnt also auch eine Fläche der Kampfzone vergiften oder anzünden und alle, die auf den betroffenen Feldern stehen, nehmen hier Schaden. Sowieso bringt die Positionierung eurer eigenen Einheiten und die der Gegner*innen eine zusätzliche taktische Komponente mit ins Spiel, die den Titel von anderen RPGs, vor allem aus der damaligen Zeit, nochmals zusätzlich abhebt. Jede Figur in eurer Party, aber auch euer Gegenüber, hat dabei eigene Stärken und Schwächen.
Hierbei gibt es verschiedene Arten von Nahkampf- und Fernkampf-Attacken, die jeweils noch einmal aufgeteilt sind. So teilt ihr im Nahkampf etwa Faust- oder Tritt-Attacken aus, oder habt Zauber mit Blitz-, Wasser- oder Lichtschaden. Gegen manche Angriffe sind Figuren dabei resistent, während wieder andere umso mehr Schaden machen. Diese Einzelheiten werden euch aber praktischerweise direkt im Kampfmenü angezeigt, weswegen ihr nie wirklich lange testen müsst, wogegen eure Gegner anfällig sind. Was aber nicht heißt, dass die Kämpfe leicht sind. Vor allem, wenn ihr nicht genug gelevelt habt, werdet ihr in manchen Situationen viel schneller das Zeitliche segnen, als euch lieb ist. Sollte eine Figur in eurer Party besiegt werden, ist diese allerdings nicht direkt vom Feld verschwunden, sondern kann noch so lange geheilt werden, bis eine weitere Attacke sie trifft.
Und wieder einmal muss ich besonders den HD-2D-Look des Spiels hervorheben. Zum einen wird der Stil, den Square Enix in der Unreal Engine 4 baut, einfach nicht langweilig für mich und zum anderen funktioniert er für mich in LIVE A LIVE noch einmal um einiges besser, als in bisherigen Titeln wie Triangle Strategy. Das liegt in diesem Fall besonders daran, dass sich die sieben Kapitel so sehr voneinander unterscheiden, dass jedes davon durch ihre Settings einen ganz eigenen Look haben und der Grafikstil hier von allen Seiten glänzen kann. Die Partikeleffekte, 3D-Hintergründe harmonieren mit den Pixel-Sprites so unfassbar gut und ich kann mich einfach nicht daran satt sehen. Am liebsten wäre es mir, wenn Square Enix einfach jedem ihrer älteren Titel noch einmal ein Remake in dieser Form spendiert. In diesem Fall hat es aber echt besonders gut gepasst und der unfassbar gute Soundtrack, der auch nochmals remastered wurde, tut dann nur noch sein Übriges. Vor allem das Boss-Theme Megalomania ist einfach ein Banger.
"LIVE A LIVE hat das HD-2D-Treatment mehr als verdient und man merkt dem Spiel eigentlich kaum an, dass es schon fast 30 Jahre auf dem Buckel hat."
Nach fast 21 Stunden Spielzeit bleibt für mich eigentlich nur eine Frage - Warum habe ich verdammt noch mal über all die Jahre nie irgendwas zu LIVE A LIVE gelesen oder gehört? Mit seinen sieben voneinander unabhängigen Kapiteln, die allesamt mit charmanten Figuren und witzigen Gameplay-Ideen punkten können und dem doch eher taktischen Kampfsystem, verbirgt sich hier eine Perle, die es mehr als verdient hat nun dieses Remake auf der Switch bekommen zu haben. Ich bin echt froh, dass Square Enix sich entschieden hat dieses - zumindest in meiner Wahrnehmung - im Westen eher unbekannte Spiel und nicht eventuelle andere Fanlieblinge neu aufzusetzen. LIVE A LIVE hat das HD-2D-Treatment mehr als verdient und man merkt dem Spiel eigentlich kaum an, dass es schon fast 30 Jahre auf dem Buckel hat. Viel zu innovativ sind dafür manche Ideen und man kann kaum glauben, dass das alles am SNES überhaupt schon möglich war. Wer noch nicht ganz überzeugt ist, kann sich die kostenlose Demo anschauen, ich kann das Spiel jedenfalls wärmstens empfehlen.
