Karma: The Dark World

   Von Miggi

Titelbild zu Karma: The Dark World von Pollard Studios und Wired Productions

Der englische Indie-Publisher Wired Productions hat in der Vergangenheit schon bewiesen, ein Händchen zu haben für besondere Horror-Perlen, die zwar nicht ganz oben mitspielen im allgemeinen Mainstream-Bereich, dafür aber genau meinen Geschmack getroffen haben, wie Those Who Remain oder das in meinen Augen grandiose Martha is Dead. Deshalb war ich umso gespannter auf Karma: The Dark World, das ich leider auf der letzten gamescom aufgrund eines schon zu vollen Kalenders leider nicht mehr geschafft habe anzuspielen, aber danach per Demo und Trailern weiter verfolgt und mich sehr auf den Release gefreut habe. Außerdem ist es auch immer schon mal ein gutes Zeichen, wenn der liebe Benny von Ink Ribbon Radio gehyped auf ein Spiel ist, das heißt ich liege schon mal nicht zu 100% falsch mit meiner Vorfreude, wenn sogar der Horror-Experte das absegnet. Also ab zurück ins Jahr 1984 und rein mit uns in die Dystopie, oder?

Karma: The Dark World lässt euch in Egoperspektive eine düstere Version von Ostdeutschland erleben, in der die Leviathan Corporation so gut wie alles kontrolliert, die Bürger*innen nicht nur überwacht, sondern direkt in verschiedene soziale Klassen eingeteilt hat, die Menschen mit bewusstseinsverändernden Drogen füttert und das unter dem Vorwand bzw. Versprechen, dass sich die Tore von Utopia für diejenigen öffnen, die der Firma dienen. Nach einem schon einmal ordentlich verstörendem Intro, das ich euch an dieser Stelle nicht vorweg nehmen will, schlüpft ihr in die Haut von Daniel McGovern - wenn der Name nicht das Äquivalent zu Boaty McBoatface ist, weiß ich auch nicht - der als Spionageagent für das Leviathan-Ideenbüro arbeitet und mit besonderer Technologie in das Bewusstsein und die Erinnerungen von Menschen eindringen kann. Die Prämisse bietet auf jeden Fall schon einmal eine gute Basis für eine absurd-kaputte Story und da könnt ihr euch auf jeden Fall drauf freuen, denn die bekommt ihr zu 100%.

Ein Raum mit roten Vorhängen und Schaufensterpuppen in Karma: The Dark World von Pollard Studios und Wired Productions
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Durch diese Technologie, mit der ihr ganz einfach in die Köpfe anderer Menschen springen könnt und damit einhergehend der Möglichkeit, auch auf narrativer Ebene von einem Moment auf den nächsten die Umgebungen zu wechseln, erwarten euch in Karma: The Dark World nicht nur das dystopische und von sich aus schon ergiebige "Ostdeutschland but make it even more Big Brother"-Szenario, sondern auch andere mehr als surreale Settings, die das Spiel schön frisch halten und nicht eintönig werden lassen. Und natürlich geizt das Spiel auch nicht mit Übernatürlichem und sollte Horror-Fans hier mehr als glücklich machen. Die Atmosphäre die Karma hier erzeugt, ist für mich auch ganz klar der größte Wow-Faktor des Spiels und einige Abschnitte haben sich hier komplett bei mir eingebrannt. Die Entwickler*innen von Pollard Studio haben hier versucht auf künstlerischer Ebene alles zu geben und das klappt meistens richtig gut, ein paar Entscheidungen haben mich dann aber doch nicht so abgeholt bzw. waren die Einflüsse zu durchschauber, wie bei anderen. Aber insgesamt mischt das Spiel hier auf einem sehr hohen Level mit und hat mich großteils wirklich komplett in seinen Bann gezogen.

 

Ein Trend, den ich seit geraumer Zeit schon feststelle, ist aber, dass vor allem Horror-Spiele, die sehr viel Wert auf ihre durchdachte Story und das Worldbuilding drumherum legen, eher abflachen, sobald es ans Gameplay geht. Und diesen Vorwurf muss sich leider auch Karma: The Dark World gefallen lassen, denn großteils ist das Spiel ein Walking Simulator, der mit recht wenig Varianz im Gameplay aufwarten kann. Durch die Spielwelt selbst und der Abwechslung darin, die Atmosphäre, die dadurch aufgebaut wird und auch die immersive Inszenierung stört dieser Aspekt mich hier weitaus weniger, wie etwa noch bei einem Fort Solis, aber an ein paar Ecken hätte ich mir dann doch etwas mehr Rätsel oder Interaktionen gewünscht, um nicht das Gefühl zu haben mehr passiver Teilnehmer als aktiv spielende Person zu sein. Durch die Spielzeit von ca. 6 bis 8 Stunden ist es gerade noch in einem Rahmen, der für mich funktioniert, ein Meisterwerk an Rätseln, Kämpfen und Co. solltet ihr hier aber definitiv nicht erwarten.

Eine Gruppe Menschen mit Fernsehern als Köpfen steht um eine Exekution herum in Karma: The Dark World von Pollard Studios und Wired Productions
Video killed the Video-Star.

Karma: The Dark World lässt euch aber dann doch nicht nur von A nach B laufen und nebenbei die Umgebung auf euch wirken, das zu behaupten wäre auch übertrieben. Euch erwarten genretypische Bild- und Text-Rätsel, durch die ihr versteckte Türcodes herausfinden müsst, aber auch Passagen in denen ihr tatsächlichen Gegnern gegenüber steht, die ihr auf die ein oder andere Art und Weise besiegen müsst. So richtig neu oder innovativ ist das zwar alles nicht, aber es passt sowohl zum Genre, als auch zum Spiel und dessen Geschichte. Mein persönliches Highlight des Spiels war die Passage mit der Kamera, etwa zur Mitte des Spiels, die euch eure Umwelt durch verschiedene Perspektiven sehen lässt und in einer Art Kampf mündet, der für mich - aus reiner Dummheit - zum einzigen Tod während meines Playthroughs und einen ordentlichen Schreck-Moment geführt hat. Und das gute ist, dass keine der Mechaniken zu oft wiederholt wird, sondern man sich zumindest immer wieder etwas Neues hat einfallen lassen.

 

Denn auch optisch werden in Karma: The Dark World immer wieder kleine Twists eingestreut, die euch aus dem Trott reißen sollen und sich vom restlichen Spiel abheben. Während ihr euch zu großen Teilen als Daniel McGovern in der Ego-Perspektive durch die Welt bewegt und außer schneller Laufen nicht viel Möglichkeiten habt das zu verändern, gibt es teilweise Momente, in denen das Spiel den eigenen Stil komplett über Bord wirft und euch einfach in einer monochromen Schwarz-Weiß-Welt bestehend aus Konturen als Würfel umherfliegen und euch an einer anderen Stelle als Schal durch eine fantasievolle und vor allem farbenreiche Welt vom Wind getragen durch die Passage schweben lässt. Und das Beste ist: alles davon ist wiederum ein sinnvoller Teil der Story und wirkt zu keinem Zeitpunkt fehl am Platz. Diese Momente sind es dann auch gewesen, die das Spiel für mich zu etwas Besonderem machen.

Ein Haufen alter Röhrenfernseher mit Testbild in Karma: The Dark World von Pollard Studios und Wired Productions
Da sind also die ganzen alten Röhrenfernseher hin, die wir damals in unseren Zimmern stehen hatten.

Aber nicht nur in diesen "besonderen" Abschnitten sieht Karma: The Dark World richtig gut aus, auch der Rest des Spiels weiß grafisch komplett zu überzeugen. Pollard Studio hat ordentlich was aus der Unreal Engine 5 rausgeholt und spielt an so gut wie allen Stellen mit Licht- bzw. Schattenverhältnissen und sowohl die Umgebungen, als auch die Charakter-Modelle sind optisch fantastisch umgesetzt. Was einen visuell hier erwartet ist etwas ganz Besonders und ich würde sofort mit Freude ein Artbook mit Concept Art und mehr durchblättern. Genauso kann ich was die Performance des Spiels angeht absolut kein schlechtes Wort verlieren. Alles funktioniert so, wie es soll, ich hatte auch schon vor dem offiziellen Release keine Abstürze oder sonstige Bugs und das Geschehen wird euch komplett flüssig auf dem Bildschirm präsentiert.

"Karma: The Dark World versucht Kunst zu sein, bedient sich dabei an einigen Genre-Klassikern und in den meisten Momenten gelingt das auch richtig gut und wird für Spieler*innen immersiv und vor allem gruselig inszeniert."

Das Team von Pollard Studio konnte mit ihrem eindrucksvollen Debüt direkt einmal beweisen, was sie draufhaben: Die Spielwelt hat mich von der ersten Sekunde an in ihren Bann gezogen und durch genügen Abwechslungsreichtum auch die komplette Spielzeit über bei der Stange gehalten. Da verzeihe ich dem Spiel dann auch, dass es zu großen Teilen ein Walking-Simulator ist, der das aktive Gameplay meist auf ein Minimum runterfährt und lieber mit der Atmosphäre spielt. Karma: The Dark World versucht Kunst zu sein, bedient sich dabei an einigen Genre-Klassikern und in den meisten Momenten gelingt das auch richtig gut und wird für Spieler*innen immersiv und vor allem gruselig inszeniert. Es gibt Momente da ist das Spiel etwas zu durchschaubar und Gameplay-arm, insgesamt verschwinden diese Kritik-Punkte aber am Ende hinter den Vorzügen, die der Titel zu bieten hat. Ich hatte definitiv eine wundervoll-bedrückende Zeit und hoffe, dass wir in Zukunft noch mehr von diesem Team sehen werden.

Wertung zu Karma: The Dark World von Pollard Studios und Wired Productions
4,5 von 5 Fernsehern.