Von Miggi
Ab dem Moment, als Dungeons of Hinterberg beim Xbox Showcase 2023 das erste Mal gezeigt wurde hatte mich der comichafte Cel Shading-Look in seinen Bann gezogen. Das Gameplay sah schon damals vielseitig und abwechslungsreich aus und dann kam das Schlagobers auf dem Einspänner: das Spiel kommt nicht nur von Microbird, einem österreichischen Studio, sondern spielt auch tatsächlich in Österreich. Dass ich das Spiel dann im August auf der gamescom letztes Jahr anspielen und mit den Entwickler*innen sprechen durfte war insgesamt ein Full Circle-Moment nicht nur für mich, sondern gefühlt für das gesamte Projekt ThreeTwoPlay. Plötzlich sitzen da, mitten auf dem Kölner Messegelände, in einer kleinen Privat-Booth, drei Österreicher*innen und unterhalten sich über Jolly und Twinni, über Perchten und den überall existenten Kirchenwirt und wie schwer es ist Österreichische Klischees in ein Medium zu verpacken, das am besten einen globalen Appeal haben sollte, ohne sie dabei zu lächerlich wirken zu lassen. Fast ein Jahr später habe ich das Spiel beendet und darf hier jetzt darüber berichten.
Das Spiel startet damit, dass die Protagonistin Luisa Dorfer nach Hinterberg kommt, weil sie ihrem Leben in Wien entfliehen will. Als Referendarin in einer Anwaltskanzlei, die nicht wirklich zufrieden mit ihrem Job ist, möchte sie dem Alltagstrott entkommen und hat sich dafür das kleine Dorf ausgesucht, in dem nicht alles so normal zugeht, wie es auf den ersten Blick scheint. In Hinterberg gibt es nämlich Magie, Monster und Dungeons und damit einhergehend regen Tourismus, der sich genau darauf spezialisiert hat. Im Hotel Haus Theresa angekommen, macht sich Luisa also direkt morgens auf den Weg, um den Tourismus-Beauftragten Klaus zu treffen, der uns durch den Anfänger*innen-Dungeon führen soll. Getrennt von Klaus muss sie diesen allerdings alleine absolvieren und schafft es am Ende gerade noch so heraus. Ein guter Start ins neue Abenteuerinnen-Leben also. Von da an nimmt die Story ihren Lauf und hält den ein oder anderen Twist im Dorfleben für euch bereit.
Euer "Alltag" in Dungeons of Hinterberg lässt sich dabei nur schwer auf ein Genre oder gar ein Gameplay-Element runterbrechen. Zum einen müsst ihr tagsüber Dungeons in einem von insgesamt vier verschiedenen Gebieten erkunden. In jedem dieser Gebiete verbirgt sich dabei ein Fähigkeitenschrein, der euch jeweils 2 Zauber verleiht, die ihr nur in diesem Gebiet anwenden könnt. Diese Zauber braucht ihr für die Lösung diverser Rätsel und, um generell im Gebiet voranzukommen. So erhaltet ihr etwa auf dem Doberkogel ein magisches Snowboard, mit dem ihr euch über Rails bewegen könnt und einen lupenreinen Super-G hinlegen könnt, oder bekommt etwa im Hinterwald einen Würfel aus magischem Gelee, auf den ihr klettern könnt. Die zwei Zauber lassen sich dabei jeweils in Fern- und Nahkampf bzw. -aktion einteilen und alleine die Idee diese jeweils auf ein Gebiet zu beschränken macht die Abschnitte im Spiel alle schon einzigartig und erspart euch nerviges Rumgeschiebe im Inventar. Mach dir mal Notizen hier, Link!
Habt ihr eure Zauber abgeholt, könnt ihr euch in einen der Dungeons wagen, von denen es in jedem Gebiet mehrere und insgesamt über 20 Stück gibt. Jeder Dungeon folgt dabei einem bestimmten Thema bzw. einer Strategie. Die wird euch zu Beginn anhand eines Einstiegs-Rätsels noch recht simpel gezeigt, wird dann über Dauer des Dungeons aber teilweise echt knifflig. Die Rätsel haben mich dabei nie vor unlösbare Aufgaben gestellt, aber sich immer wieder der eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden und wie man diese nun einsetzen muss, um ans Ziel zu kommen, hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. In jedem Dungeon ist außerdem eine Münze versteckt, die ihr euch als Trophäe einstecken könnt. Das bringt zwar nicht wirklich was, aber wir lieben doch kleine Collectibles für die 100%, oder nicht? Die Dungeons selbst sind pro Gebiet außerdem alle genau so vielseitig, wie die Gebiete selbst und bei manchen Abschnitten ist mir wirklich ein lautes "Oida!" entfleucht, so gut waren sie teilweise.
Aber nicht nur zum Rätseln eignen sich eure Zauber, ihr könnt sie auch perfekt im Kampf gegen allerhand Kreaturen einsetzen. Jeder Zauber hat dabei auch wieder verschiedene Einsatzmöglichkeiten und verbraucht im Kampf Mana. Sollte euch die mal ausgehen, habt ihr neben der Magie aber auch noch ein Schwert zur Hand, mit dem ihr den Perchten und Pitzl zeigen könnt, wer hier das Sagen hat. In Echtzeit kämpft ihr euch dabei durch Gegner-Gruppen, weicht geschickt Angriffen aus und lernt mit der Zeit zusätzliche Spezialattacken bzw. sogenannte Angriffsleiter, die ihr nach einem Cooldown per Knopfdruck einsetzen könnt. Habt ihr einmal fast keine Energie mehr, gönnt ihr euch einfach ein Leberkässemmerl und geht euch die Zauberkraft aus, genehmigt ihr euch einfach eine kleine Mana-Schnitte. Es sind Details wie diese, die mein Herz aufgehen lassen und die mich vor allem als jemand, der in Österreich aufgewachsen ist, unfassbar glücklich machen.
Neben euren Angriffen dürft ihr aber natürlich auch eure Verteidigung nicht vernachlässigen. Hierfür deckt ihr euch entweder bei Gear & More mit Brustpanzern, Abenteuerleggins und Polstern ein, oder findet diese in Truhen verteilt in der Spielwelt. Gleichzeit könnt ihr Amulette finden, die euch z.B. mehr Angriffskraft geben, höhere Verteidigung gegen Magie oder andere Buffs, wie Schockwellen, die von Gegner zu Gegner springen können, bei Attacken. So erhöht ihr neben eurem Angriffs- auch den Verteidigungs-Level, um schwerere Dungeons schaffen und stärkere Monster erlegen zu können. Diese werden nämlich auf einer Schwierigkeitsgrad-Skala von eins bis neun eingeteilt, genau so wie eure Ausrüstung. Klar könnt ihr auch mit Level 5 in einen Level 7 Dungeon, ihr dürft halt dann nur nicht getroffen werden. Mit weiterer Spieldauer schaltet ihr im Dorf außerdem neue Shops frei, in denen ihr eure Waffen verzaubern, eure Rüstung aufleveln könnt und eure Amulette schrumpfen könnt, um mehr davon tragen zu können.
Diese neuen Shops und auch diverse andere Boni schaltet ihr in Dungeons of Hinterberg nach getaner Arbeit in den Dungeons frei. Abends dürft ihr nämlich in bester Persona-Manier mit euren Freund*innen im Dorf socializen und eure Freundschaften vertiefen. Jeder Freundschafts-Level bringt euch dabei Boni, die ihr in eurem Tagebuch schon pro Level vorab nachlesen könnt. Eisverkäuferin Marina schenkt euch mehr Ausdauer, Schmiedin Hannah verzaubert ab Level 2 eure Schwerter, Teenagerin Thea gibt euch einen Schlüssel für verschlossene Truhen und dann wäre da noch der beste Kumpel von allen - der süße Hund Zwetschkenkrampus. Und ja, ihr könnt den Names des Hundes aus einer Auswahl von vorgegebenen Namen auswählen, aber ich akzeptiere nur Zwetschkenkrampus als Canon-Version. Nachdem ihr also abends eure Einkäufe erledigt habt, solltet ihr immer mal einen Blick auf die Karte werfen, wer gerade Zeit hat und euch mit den Leuten im Dorf treffen.
Manche Freundschaften hängen dabei zusammen mit euren eigenen Werten. Absolviert ihr Dungeons steigen neben euren Trefferpunkten auch euer Ansehen, verbringt ihr einen Abend gemütlich im Spa oder chillt am Doberkogel einen Nachmittag anstatt einen Dungeon zu absolvieren steigt eure Entspannung und dann gibt es noch Vertrautheit und Unterhaltung. Jede Abendaktivität fördert dabei einen dieser vier Werte und einzelne Personen werden sich erst mit euch anfreunden oder erneut mit euch interagieren, wenn einer davon hoch genug ist. Es lohnt sich also definitiv mal nicht direkt ins Bett zu gehen, sondern auch mal wach zu bleiben und fernzusehen, auch wenn euch dafür am nächsten 20% eurer Trefferpunkte fehlen. Und das eben nicht nur weil in den Dialogen der TV-Shows unfassbar gute Easter Eggs zu Kommissar Rex & Co. versteckt sind.
Generell lohnt es sich absolut Dungeons of Hinterberg mit Deutschen Dialogen zu spielen. Ich kann zwar keinen direkten Vergleich ziehen, aber mir nur schwer vorstellen, dass österreichische Worte wie goschert, Gfraster oder Gelsenstich es so authentisch in die Übersetzung geschafft haben. Die Balance ist dabei wirklich gelungen und auch für hochdeutsches Publikum gut verständlich, also keine Sorge! Die Dialoge selbst sind dabei alle verdammt unterhaltsam geschrieben und ich musste immer wieder schmunzeln, bei den Unterhaltungen der verschiedenen Figuren, auch weil man diesen die Inspiration bzw. deren reale Vorbilder direkt ansieht. Da ist der Hipster Journalist mit Beanie und Bart, der für das Magazin "Crooked" schreibt. Die ostasiatische DJ aus reichem Elternhaus, die ihrem aufgezwungenen Erbe entkommen will. Das junge Teenager-Girl, das vom Dorfleben nicht unbedingt begeistert ist und noch so viel mehr Charaktere und Persönlichkeiten, die ich euch gar nicht alle spoilern will.
Gleichzeitig sind so viele Klischees und Eigenheiten der österreichischen Kultur in dieses Spiel integriert, dass vermutlich selbst mir als Einheimischer ein paar entgangen sind. Von den Ticket-Automaten der Österreichischen Bahn, über den schon kurz erwähnten Kirchenwirt, der wirklich in jeder noch so kleinen Ortschaft existiert, bis hin zu Tracht, Wirtshäusern (und ihren Wirten) und noch so vielem mehr. Dungeons of Hinterberg gelingt dabei perfekt der Spagat zwischen dem satirischen Seitenhieb, der das Thema aber trotzdem nicht komplett ins Lächerliche zieht oder zu sehr mit der Brechstange durch die Tür bricht. Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt gleichermaßen repräsentiert, veralbert und komplementiert gefühlt und alleine dafür hat das Team von Microbird meinen größten Respekt.
Natürlich kann man aber nicht über dieses Spiel schreiben, ohne den fantastischen Look davon zu erwähnen. So guten Cel Shading-Look habe ich seit Hi-Fi Rush nicht mehr gesehen und das war damals schon eine absolute Ausnahme. Schatten- und Lichteffekte werden perfekt ergänzt durch Farbpunkte, wie man sie sonst aus dem Comic-Druck kennt und kombiniert werden diese Effekte mit einem einzigartigen Charakter- und Welten-Design. Dungeons of Hinterberg ist eines dieser Spiele, das man einmal gesehen hat und direkt weiß, um welches Spiel es sich handelt. Das Spiel läuft zudem auch technisch richtig gut und ich habe nur ab und zu kleine Ruckler erlebt, wenn ich meine Spin-Attacke abgefeuert habe, während sich gerade mehrere Gegner um mich versammelt hatten und ich einen Hit nach dem nächsten rausgehauen habe. Sonst gab es keine Abstürze, keine Bugs und auch sonst keine nervigen Fehler, die das Erlebnis getrübt haben.
"Dungeons of Hinterberg ist etwas ganz Besonderes und könnte am Ende des Jahres - Stand jetzt - sehr wahrscheinlich mein Game of the Year werden. Und das sage ich nicht mit Österreich-Brille auf."
Nachdem gerade vor wenigen Momenten der Abspann über den Bildschirm gelaufen ist, sitze ich jetzt hier in Salzburg, während ich versuche meine letzten Worte zu diesem fantastischen Spiel zu finden, das mich mit seiner Story am Ende emotionaler zurückgelassen hat, als ich es erwartet hatte. Gleichzeitig bin ich einfach nur glücklich, wie schön dieses Erlebnis war und was sich alles in diesem Titel versteckt. Seien es die Dialoge, die kleinen Österreich Easter Eggs, die spaßigen Kämpfe oder die vielseitigen und ideenreichen Rätsel der über 20 Dungeons, von denen keiner so ist, wie der andere. Dungeons of Hinterberg ist etwas ganz Besonderes und könnte am Ende des Jahres - Stand jetzt - sehr wahrscheinlich mein Game of the Year werden. Und das sage ich nicht mit Österreich-Brille auf. Naja gut, vielleicht ein bisschen, ganz weg kriege ich die wahrscheinlich nicht. Aber auch ohne die wäre das eines der besten Spiele, die ich dieses Jahr gespielt habe und ich wünsche Microbird damit den größtmöglichen Erfolg, damit wir hoffentlich irgendwann wieder nach Hinterberg oder an irgendeinen anderen magischen Ort der Alpenrepublik reisen dürfen. Bis dahin darf sich Luisa aber erst einmal etwas ausruhen.
