Von Miggi
Als jemand, der genau zu der damaligen Zeit so richtig ins Videospiel-Game eingestiegen ist, als Videospiele so aussahen, liebe ich es ja, wenn Spiele eine moderne Engine nehmen und darauf aufbauend ein Spiel im Retro-Look entwickeln, das so früher zwar hätte erscheinen können, aber dann eben nicht auf dem technischen Niveau wie heute. Seit ein paar Jahren kommen wir so nicht nur in Genuss diverser HD2D-Entwicklungen, sondern sehen immer Spiele, die diese Idee auch in den dreidimensionalen Rahmen bringen. Nachdem US-Publisher 3D Realms mit Duke Nukem Forever nicht unbedingt Positivschlagzeilen gemacht hat, zeigte sich 2018, das Totgeglaubte wohl doch länger leben. Denn mit Ion Fury erschien ein auf der Build Engine basierender Retro-Shooter, der die Amerikaner nicht nur zurück auf die Karte brachte, sondern auch eine Schublade öffnete für genau diese Art von Spiel. Und mit CULTIC kommen wir nun in den Genuss einer weiteren Perle dieser Sparte.
CULTIC beginnt so, wie man es eigentlich erst einmal nicht unbedingt möchte in einem Videospiel - und zwar mit dem Tod des Protagonisten. Der ehemalige Detective wird nämlich leider beim Versuch, einen seiner noch offenen Fälle abzuschließen, aus den Schatten heraus attackiert und getötet. Tja, Game over, oder? Nicht ganz. Kurze Zeit später wacht er mitten zwischen einem Haufen Leichen mysteriöserweise wieder auf und macht sich direkt auf, das zu vollenden, was er begonnen hat. Er ist nämlich, wie der Name des Spiels es eventuell schon verraten hat, einem mörderischen Kult auf der Spur und genau diesen sollt ihr jetzt in seiner Haut mit aller Waffenkraft, die euch zur Verfügung steht, zu Fall bringen.
An welchen Klassikern sich das Spiel von Solo-Entwickler Jason Smith orientiert wird nicht nur durch das Setting relativ schnell klar. In guter alter DOOM-Manier lauft ihr durch die insgesamt 10 Abschnitte und schießt auf alles, was sich euch in den Weg stellt. Im Gegensatz zu damals habt ihr allerdings die Möglichkeit euer Fadenkreuz komplett frei zu bewegen, wie eben in modernen Shootern auch. Beim Tempo ist man dann allerdings wieder in älteren Gefilden angekommen und kann sich schön flott und arcadig durch die einzelnen Levels ballern. Ein Timer zeigt euch am Ende jedes Levels an, wie lange ihr gebraucht habt und pro Level gibt es auch einige Secret Areas zu finden, die wie üblich Rüstungsteile, Munition oder andere Goodies für euch bereit stellen. Passt allerdings auf, genau wie die Klassiker, an denen sich CULTIC orientiert, hat es auch einen teilweise echt hohen Schwierigkeitsgrad und bestraft Fehler oft sehr schnell.
Besonders spannend an CULTIC ist, dass das Spiel euch sehr klar entscheiden lässt, wie ihr die Gefechte angehen wollt. Natürlich könnt ihr wie Rambo in jeden Raum rennen und mit euren Waffen einfach draufhalten, solange eure Munition das hergibt. Ihr könnt aber auch langsam vorgehen, euch an eure Feinde anschleichen, Waffen auslegen und die Gegner nach und nach ausschalten. Auch der Weg zum Ziel ist nicht immer ein langer Schlauch, den ihr entlanglaufen müsst - wer sich gut genug umsieht und um die Ecke denkt, kann auch mal bestimmte Abschnitte überspringen. Das kam mir vor allem an einer Stelle zugute, an der ich die "richtige" Lösung partout nicht gefunden habe und dann einfach geschaut habe, welchen Weg ich noch gehen könnte. So kann man dann auch seine Zeiten untereinander vergleichen und sehen, ob es vielleicht einen viel einfacheren Weg gibt, ein Level zu beenden.
Damit ihr gegen die teilweise echt großen Gegnerhorden ankommt, füllt sich über den Spielverlauf euer Waffeninventar ständig. Zu Beginn müsst ihr lediglich mit einer Axt auskommen, über die ca. vier Stunden Spieldauer hinweg erhaltet ihr aber auch genug Schusswaffen. Ihr bekommt relativ früh eine Pistole in die Finger, je weiter ihr kommt warten aber auch eine Schrotflinte, ein Maschinengewehr und mehr auf euch. Und auch Dynamit und Molotov-Cocktails wandern früher oder später in euer Inventar und zwangsläufig die Gesichter eurer Gegner. Besonders cool ist hier, wie man diese Gegenstände benutzt. Ihr müsst nämlich zuerst euer Feuerzeug rausholen, die Explosivwaffen aktiv anzünden und dann werfen. Werft ihr sie, ohne sie anzuzünden, fliegen sie einfach nur auf den Boden und machen sonst nichts weiter. Ihr könnt sie natürlich aber auch wieder aufheben, sollte euch das mal passieren.
Jede eurer Waffen kann außerdem an einer der Werkbänke verbessert werden, die ihr entweder vor wichtigen Checkpoints oder teilweise versteckt in den Levels finden könnt. Dort könnt ihr mit Waffenteilen entweder die reine Feuerkraft erhöhen, aber auch das Magazin vergrößern, die Genauigkeit erhöhen und je Waffe teilweise noch speziellere Modifikationen vornehmen. Aber vorsicht - verballert (höhö) eure Waffenteile, die einigermaßen selten bzw. schwer zu finden sind, nicht direkt, manchmal lohnt es sich auch auf ein bestimmtes Upgrade zu sparen. Und habt ihr erst einmal eure Waffen gemeistert, wird das Ingame auch teilweise mit coolen Effekten belohnt. Bei besonders genauen Kills aktiviert sich ein Zeitlupen-Effekt, der die Kills noch mehr in Szene setzt und ähnlich wie das Kopfschussgeräusch in Gears of War ist es einfach wahnsinnig befriedigend, wenn man einen dieser speziellen Kills geschafft hat.
Neben dem actiongeladenen Gameplay, das wahnsinnig gut funktioniert, ist das große Glanzstück von CULTIC aber die Optik. Mit einem Mix aus 2D-Sprites, Pixel-Texturen und dreidimensionalen Objekten schafft Entwickler John Smith hier einen ganz besonderen Look, der die Kernästhetik alter Klassiker aufgreift und gleichzeitig zu jedem Zeitpunkt seinen ganz eigenen modernen Charme mit sich bringt. Vor allem durch die zusätzlichen Lichteffekte und die Möglichkeit nicht nur zweidimensionale Objekte ins Spiel einzubauen entsteht ein Mix, den man so bisher nicht gesehen hat und der mich von vorne bis hinten begeistert hat. Und auch das Sounddesign ist sehr gut gelungen. Die Musik setzt an den richtigen Stellen ein um Spannung zu erzeugen, oder Action zu vermitteln und wenn es mal etwas ruhiger ist, kommen immer wieder bedrohliche Umgebungs-Sounds aus den Boxen. Trotz schnellem Gameplay kommt es so immer wieder zu Situationen, die das "Horror" in den Horror-Shooter bringen und ein bisschen Grusel liebe ich ja immer.
"CULTIC nimmt einen mit auf einen wilden mehrstündigen Ritt, durch dunkle Levels und erzeugt einen actiongeladenen Spielfluss, der seinesgleichen sucht."
Als Fan von alten Retro-Shootern wie DOOM oder Duke Nukem, aber auch von Neuinterpretationen wie Ion Fury, war ich sehr gespannt darauf, wie CULTIC am Ende sein würde. Und nach meinem ersten Playthrough kann ich sagen - ich bin einfach nur happy. Das Gameplay ist wahnsinnig smooth, die Levels zu erkunden macht Bock und das Welten- und Gegnerdesign machen Lust auf mehr. Generell sollte es viel mehr Horror-Shooter geben. CULTIC nimmt einen mit auf einen wilden mehrstündigen Ritt, durch dunkle Levels und erzeugt einen actiongeladenen Spielfluss, der seinesgleichen sucht. Durch die kurzen Abschnitte, den Timer und die Geheimnisse gibt es immer wieder den Anreiz noch einmal in eines der Levels zu springen und das beste - das hier war nur Kapitel 1 des Spiels. Kapitel 2 ist bereits in Planung und soll die Geschichte direkt weiterführen. Bis dahin werde ich auf jeden Fall noch ein paar Kultisten ihrem Erlöser nahe bringen und hoffe, dass sich mehr Entwickler*innen den Retro-Shootern widmen.