Von Miggi
Leute, wir werden alt. Ok, vielleicht nicht wir, aber ich werde alt. Es ist jetzt wirklich schon zwei Dekaden her, dass der Film The Blair Witch Project veröffentlicht wurde. Und ich habe in der Podcast-Folge zur gamescom 2019 noch ganz nebenher behauptet, es seien bestimmt erst zehn Jahre. Nein Miggi, tut mir Leid, es sind bereits 20 Jahre und du gehst auf die 30 zu. Was ja aber eigentlich überhaupt nichts Negatives ist, ganz im Gegenteil: dieses Jahr schreiben wir nämlich nicht nur das zwanzigjährige Jubiläum des Horrorfilms aus 1996, sondern auch den Release des Spiels Blair Witch. Das Spiel wurde anlässlich ebendieses Jubiläums am 30. August 2019 vom polnischen Entwicklerstudio Bloober Team veröffentlicht, das viele von euch bestimmt durch Layers of Fear kennen dürften und ist direkt zu Release Teil des Xbox Game Pass. Höchste Zeit also sich jetzt einmal selbst in die Wälder von Black Hills zu begeben.
Die Geschichte von Blair Witch führt euch zurück in das Jahr 1996. Ihr übernehmt die Rolle des ehemaligen Polizisten Ellis, der sich der Suche nach dem verschwundenen Jungen Peter anschließt. Diese Suche führt euch selbstverständlich in die Wälder von Burkittsville, in denen - wie ihr vielleicht schon ahnt - nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Wäre ja auch viel zu einfach. Relativ schnell merkt ihr nämlich, dass etwas Übernatürliches hier sein Unwesen treiben muss. Das und Ellis' schwierige Vergangeheit führen zu Situationen, die euch nicht nur die Nackenhaare aufstellen werden, sondern euch auch nach und nach das Mysterium des Waldes näher bringen und die intensiver und häufiger werden, je weiter ihr im Spiel voranschreitet. Das Versprechen von psychologischem Horror wird hier also definitiv eingelöst.
Euch zur Seite gestellt wird dabei neben einer Handvoll Hilfsmitteln euer treuer Hund Bullet. Und ja, ihr könnt den Hund streicheln. Das ist aber bei weitem nicht alles: ihr müsst euch - wie im echten Leben auch - um euren vierbeinigen Begleiter kümmern und in brenzligen Situationen auf ihn aufpassen. Außerdem müsst ihr darauf achten, dass Bullet sich nicht zu weit von euch entfernt, da dies Auswirkungen auf eure mentale Gesundheit im Spiel haben kann. In eurem Inventar habt ihr aber nicht nur seine Hundeleckerlis, sondern auch unterschiedliche technische Accessoires: neben einem Walkie-Talkie, mit dessen Hilfe ihr Kontakt zum Sheriff haltet, einer Taschenlampe und einer Kamera, findet sich dort auch euer Mobiltelefon. Getreu dem Jahr 1996 habt ihr aber natürlich kein Smartphone, sondern ein älteres Tastenhandy, mit dem ihr Anrufe tätigen und SMS lesen könnt. Die Entwickler haben außerdem, neben wechselbaren Hintergrundbildern, spielbare Versionen von Snake und einer Art Space Invaders auf das Handy gepackt. So fand ich mich plötzlich mitten im Wald Snake-spielend wieder. Bisschen verrückt, aber auch irgendwie sehr witzig.
Waffen zu eurer Verteidigung habt ihr aber im Spiel nicht. Werdet ihr mit Gegnern konfrontiert, könnt ihr entweder ausweichen und abhauen oder euch im Ernstfall mit eurer Taschenlampe zur Wehr setzen. Bullet hilft euch dabei durch sein Verhalten zu sehen, wo sich Gegner aufhalten und von welcher Seite ihr attackiert werdet. Erlebt wird Blair Witch in der Ego-Perspektive, die ihr bis auf eine kurze Zwischensequenz zu Beginn des Spiels auch nie verlasst. Diese Entscheidung führt nicht nur dazu, dass euch das Spiel noch besser mit in die Geschichte zieht, sondern es ergeben sich auch allein durch die Perspektive einige gruslige Situationen. Hüpft ihr beispielsweise von einem Abhang, blickt Ellis auf den Boden, was rund um euch passiert, könnt ihr dabei allerdings nur erahnen. Und das ist noch ein sehr harmloses Beispiel.
Die Story dauert, je nachdem wie genau ihr eure Umgebung untersucht, etwa vier bis sechs Stunden. In diesen müsst ihr aber nicht nur gegen Monster bestehen und allerhand schaurige Situationen durchleben, sondern auch diverse Rätsel lösen, die nicht allzu schwer sind, dafür aber eure Kamera interessant in Szene setzen. Verstreut über das ganze Spiel findet ihr immer wieder rote Videotapes, mit denen ihr in eurer Videokamera die Realität um euch herum beeinflusst. Spult ihr sie vor oder zurück, verändern sich bestimmte Dinge, es öffnen sich Wege oder ihr seht Gegenstände, die euren Story-Fortschritt vorantreiben. Nebenbei gibt es auch noch die üblichen Aufgaben wie: finde Gegenstände und bring sie an einen Zielort, löse ein Schalterrätsel und ein paar weitere. Die Abwechslung ist dabei sehr nett und lässt das Spiel nicht eintönig werden. Die Schwierigkeit der Rätsel hätte für meinen Geschmack ruhig noch etwas hochgeschraubt werden können. Das ist aber jetzt nichts, was mich irgendwie gestört hat.
Der Black Hills-Wald in der Nähe von Burkittsville ist dabei nicht nur bedrohlich gestaltet und lässt euch schnell die Orientierung verlieren - die Entwickler haben sich einige Tricks einfallen lassen, um euch den übernatürlichen Wald besser zu verkaufen. Einerseits hilft euch Bullet meist dabei, den richtigen Weg zu finden, damit ihr euch nicht verlauft. An manchen Stellen könnt ihr euch aber nicht auf den Vierbeiner verlassen. Seid ihr dann auf euch allein gestellt, werdet ihr aber auch nicht in die Situation kommen, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Tut mir leid, der musste sein. Blair Witch löst das Problem so, euch entweder nach einer bestimmten Zeit auf den richtigen Weg zu führen, oder aber euch wieder an den Anfangspunkt kommen zu lassen, wodurch ihr das Gefühl habt im Kreis zu laufen, auch wenn das vielleicht logisch gesehen gar nicht der Fall war. Das passt nicht nur zum verfluchten Wald, sondern lässt euch eben auch nicht einfach frustriert im Wald stehen.
Technisch hat das Spiel leider zum Release-Zeitpunkt noch ein paar Schwierigkeiten. Während ihr durch den Wald lauft und euch nach rechts und links dreht, um euch umzusehen, werdet ihr auf der Xbox One leider immer wieder deutlich merkbare Ruckler in der Framerate beobachten. Dieses Problem tritt leider nicht nur auf der Standard-Konsole auf, sondern ihr werdet auch auf der Xbox One X nicht davon verschont bleiben. Im späteren Spielverlauf ist es mir leider auch passiert, dass ich immer wieder in Türrahmen hängen geblieben bin, was durch ein kurzes Ducken und wieder Aufstehen allerdings schnell behoben war. Ich hoffe aber, dass diese Probleme mit einem Patch behoben werden. Die Steuerung ist sonst dafür aber sehr präzise und die Grafik durchwegs schön anzusehen, was dem Gruselwald natürlich umso mehr Atmosphäre verleiht.
"Trotz technischer Probleme ist Blair Witch nicht nur der perfekte Anlass das 20-jährige Jubiläum des Films angemessen zu feiern, sondern ein erstklassiger psycho-Horror-Thriller, mit Wiederspielwert."
Blair Witch kam für mich sehr überraschend. Nach der Ankündigung auf der E3 2019 während der Xbox-Pressekonferenz war ich umso glücklicher, das Spiel, das direkt zu Release Teil des Game Pass-Angebots ist, auf der vergangenen gamescom selbst anspielen zu können. Die Messe-Demo hat mich nicht nur neugierig gemacht, sondern meine Vorfreude nur umso mehr gesteigert, so dass ich am Release-Wochenende direkt in den Wald aufbrechen musste. Trotz technischer Probleme ist Blair Witch nicht nur der perfekte Anlass das 20-jährige Jubiläum des Films angemessen zu feiern, sondern ein erstklassiger Psycho-Horror-Thriller, mit Wiederspielwert. Habt ihr die Story nämlich zum ersten Mal abgeschlossen, empfiehlt es sich, direkt in einen neuen Playthrough zu starten, da das Spiel auf sehr unterschiedliche Weisen durchgespielt werden kann, die mit jeweils einem eigenen Ende auf euch warten. Entschuldigt mich also bitte, ich muss los und noch mal durch den Wald laufen, bevor der volle Spiele-September weiter geht.