Von Miggi
Dass es jetzt schon 13 Jahre her ist, seit Alan Wake damals exklusiv für die Xbox 360 erschienen ist, zeigt mir nicht nur, dass ich alt werde, sondern macht es noch viel absurder, dass im Jahr 2023 wirklich das Sequel dazu erschienen ist. Im Vorfeld hat Remedy Entertainment es durch diverse Trailer u.a. auf der gamescom Opening Night Live auf jeden Fall geschafft eine Menge Hype aufzubauen und trotz der langen Zeit zwischen den beiden Teilen, gab es eine Menge Leute die sich sehr auf das Sequel gefreut haben. Auch ich als alteingesessener Fan der Reihe habe schon die Ankündigung des zweiten Teils bei den Game Awards 2021 zum Anlass genommen den ersten Teil noch einmal in seiner Remastered Fassung zu spielen und habe seitdem gespannt auf den Release von Alan Wake 2 gewartet. Gespannt und ungeduldig. Pünktlich zu Halloween war es dann soweit und ein besseres Spiel hätte zu diesem Zeitpunkt nicht erscheinen können. Statt Kürbisse schnitzen, stand also eine Reise zurück nach Bright Falls auf dem Plan.
Alan Wake 2 setzt im Grunde da an, wo der Vorgänger aufgehört hat, aber irgendwie auch nicht. Die FBI-Agentin Saga Anderson und ihr Partner Alex Casey werden am Anfang der Geschichte in die Stadt Bright Falls geschickt, nachdem dort mehrere rituelle Morde stattgefunden haben. Bei der Untersuchung des aktuellsten Mordes finden die beiden heraus, dass es sich bei dem Toten um FBI Agent Robert Nightingale handelt, der vor 13 Jahren verschwunden ist und stolpern am Tatort über eine Manuskript-Seite, die anscheinend die Zukunft voraussagt. Wer den ersten Teil gespielt hat, kann sich also schon ungefähr denken, was hier los ist. Während der Autopsie der Leiche findet Saga eine zweite Seite, der tote Nightingale erwacht plötzlich wieder zum Leben, nicht gerade in der freundlichsten Stimmung ever und flieht aus der Polizeistation in Richtung Cauldron Lake. Dort angekommen muss Agent Anderson nicht nur in einer seltsamen Paralleldimension gegen Nightingale kämpfen, sondern findet danach auch noch den 13 Jahre als vermisst gemeldeten Alan Wake am Ufer. Was folgt ist eine düstere Story voller Twists und Unklarheiten, die ich euch an dieser Stelle selbstverständlich nicht vorweg nehmen möchte.
Und wenn ich düster sage, dann meine ich das auch wirklich genau so. Im Vergleich zum Vorgänger hat Remedy den Horror-Faktor beim zweiten Teil nicht nur ordentlich aufgedreht, im Grunde lassen sich die beiden Spiele schon in verschiedene Genres kategorisieren. Der erste Teil hatte zwar durch das Spiel mit Licht und Schatten und der generellen Story schon seine gruseligen Momente, Alan Wake 2 ist aber ein waschechtes Survival Horror Spiel im besten Sinne. Die Spielwelt selbst steckt voller Bedrohungen, die Atmosphäre ist stets bedrückend und lässt einen hinter jeder Ecke mit dem nächsten Schreckmoment rechnen und zwischendurch werden immer wieder reale Videosequenzen eingespielt, die man gut und gerne als Jumpscare durchgehen lassen kann. Das mag die ein oder den anderen jetzt abschrecken und diese Elemente lassen sich auch nicht deaktivieren. Wenn ihr also sehr schreckhaft seid, ist das Spiel vielleicht nicht ganz das richtige für euch. Und das mal ganz abseits der Story.
Diese spielt sich in Alan Wake 2 aus der Sicht von direkt zwei Figuren ab, zwischen denen ihr manuell switchen könnt. Nur an manchen Story-kritischen Punkten nimmt euch das Spiel die Entscheidung ab, mit wem ihr nun weiterspielen sollt, aber zum größten Teil könnt ihr euch das selbst aussuchen. Zum einen ist da natürlich Alan Wake selbst - seine Story mit dem Titel "Initiation" spielt sich zu großen Teilen in einer seltsamen und scheinbar fiktiven Version von New York City ab und führt euch zu verschiedenen Tatorten, an denen Morde passiert sind. Diese braucht Alan, um auf seinem Storyboard nicht nur die Geschichte weiterzuschreiben, sondern dadurch auch die Umgebung in den einzelnen Abschnitten so zu verändern, dass ihr vorankommen könnt. So entwickeln sich die Levels selbst zu kleinen Rätseln, in denen ihr natürlich nicht nur Fortschritt machen, sondern auch zusätzliche Items, Munition oder Wörter der Macht finden könnt, mit denen ihr Alans Werte verbessert, wie z.B. die Kapazität des Inventars zu vergrößern. Gleichzeitig lernt ihr aber natürlich auch mehr über die Welt, die Figuren und Alan selbst.
Die zweite Figur bzw. Geschichte, die ihr spielen könnt, ist Saga Anderson. Die FBI-Agentin treibt die Story in der realen Welt voran und bewegt sich hierzu durch Bright Falls und die umliegenden Orte Watery und Cauldron Lake. Sie und ihr Partner Alex Casey bekommen es hier unter anderem mit dem Cult of the Tree zu tun, der ihnen das Leben schwer macht. Sie versucht den Fall rund um Alan Wake aufzuklären und was für Wake das Storyboard ist, ist für Saga der Mind Place. Dort könnt ihr nicht nur Schlussfolgerungen auf ihrer Pinnwand verknüpfen, sondern auf Profiling betreiben. Das ist manchmal zwingend notwendig, um mit der Story fortzufahren, in anderen Situationen kann es euch auch einfach nützliche Tipps geben, was ihr als nächstes machen müsst. Außerdem könnt ihr hier eure Waffen verbessern und zwar durch Alex Casey-Lunchboxen, die ihr versteckt in der Welt findet.
Und an dieser Stelle möchte ich ein großes Lob an Remedy aussprechen: Das Kämpfen funktioniert in Alan Wake 2 wesentlich smoother, als noch im Vorgänger und die Auswahl an Waffen ist richtig gut gelungen. Auch wenn ich ein paar davon erst viel zu spät gefunden habe, aber das ist meine eigene Schuld. Saga bekommt im Laufe des Spiels neben ihrer Pistole noch eine Shotgun, eine Armbrust und ein Gewehr und Alan findet neben seinem Revolver noch eine Schrotflinte und eine Leuchtschusspistole. Dazu gibt es für beide Charaktere neben Items wie Leuchtfackeln und Blendgranaten natürlich noch die gute alte Taschenlampe. Denn wie auch schon im ersten Teil sind die Taken wieder äußerst Lichtempfindlich und müssen erst einmal mit einer Ladung Licht verwundbar gemacht oder betäubt werden, bevor ihr mit euren Waffen draufhalten könnt. Und anders als in Teil 1 haben mir die Kämpfe zu großen Teilen richtig Spaß gemacht, das Ausweichen hat gut funktioniert und die Waffen haben sich alle richtig gut gespielt.
Was aber Alan Wake 2 wirklich zu einem ganz besonderen Erlebnis macht, ist zum einen die wunderschöne Optik und das Spiel mit Licht und Schatten. Hier setzt das Studio rund um Director Sam Lake nicht nur neue Standards, sondern zeigt einfach mal, dass ihre Northlight Engine richtig mächtig ist. Aber es ist nicht nur der Fakt, dass das Spiel wahnsinnig gut aussieht: immer wieder werden real abgefilmte Sequenzen mit in das Gameplay eingebaut und entweder über den ganzen Bildschirm gelegt, an einzelne Stellen projizert oder aber auch als alleinstehendes Element in die Spielwelt integriert, wie etwa auf Fernsehern oder Leinwänden. Diese Integration ist dabei so organisch und ein absolutes Alleinstellungsmerkmal des Spiels, das für unfassbar viel Atmosphäre sorgt und für das Spiel in manchen Szenen einfach die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist. Stichwort "We sing" - eines der schönsten Erlebnisse, die ich jemals in einem Videospiel hatte.
"Alan Wake 2 nimmt die Ideen des Vorgängers und führt diese mit seinen visuellen Ideen, der wunderschönen Präsentation und Optik, den Gameplay-Verbesserungen und der spannenden Geschichte zur Perfektion."
2023 wird definitiv als eines der besten Jahre für Videospiel-Releases in die Geschichte eingehen. Und dazu trägt auch dieses Spiel keinen unwesentlichen Teil bei. Alan Wake 2 nimmt die Ideen des Vorgängers und führt diese mit seinen visuellen Ideen, der wunderschönen Präsentation und Optik, den Gameplay-Verbesserungen und der spannenden Geschichte zur Perfektion. Dass wir 13 Jahre auf dieses Spiel warten mussten, macht mich nicht einmal traurig, wenn ich überlege, dass es zu einem früheren Zeitpunkt eventuell nicht die technischen Möglichkeiten gegeben hätte, die wir heute haben. So gab es pünktlich zu Halloween nicht nur eines der besten Spiele 2023, sondern eines der besten Survival Horror-Games der letzten Jahre und ich könnte mit dem Sequel vermutlich glücklicher nicht sein. Wenn ihr also keine Angsthasen seid und mit Jumpscares umgehen könnt, ist Alan Wake 2 eine meiner wärmsten Empfehlungen für dieses Spielejahr. Und das heißt einiges.